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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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oder allgemeine Wahrheiten durch sie
sinnlich erkannt werden: so sind mir ja
mythologische Personen erlaubt, die durch-
gängig unter einem bestimmten und dazu sehr
poetischen Charakter bekannt sind, oder in
der Fabel Aesops, müßten die Thiere nicht
mehr sprechen, und in keiner Fiktion müßte
ich erdichtete Personen gebrauchen können --
warum? weil sie der Wahrheit entgegen
sind. -- Der Wahrheit wegen brauche
ich sie auch nicht; aber ihrer poetischen Be-
standheit:
und wenn es personificirte Din-
ge
sind; der sinnlichen Anschauung wegen.
Freilich, die die mythologischen Namen blos
"als leere Schälle * gebrauchen," die kön-
nen ihrer entrathen; sind das aber Dichter?
Weiter: "es ist ein sehr mittelmäßiger Kopf,
"der nichts selbst in Vorrath hat, sondern
"hundertmal wiederholte Bilder wiederholen
"muß **!" nicht blos ein mittelmäßiger,
sondern ein schlechter Kopf ist, der nichts
im Vorrath hat, der blos wiederholt; aber
wer hundertmal auf einerlei Art gebrauchte
Bilder, auf eine neue Art braucht, wer

hundert-
* pag. 126.
** pag. 127.

oder allgemeine Wahrheiten durch ſie
ſinnlich erkannt werden: ſo ſind mir ja
mythologiſche Perſonen erlaubt, die durch-
gaͤngig unter einem beſtimmten und dazu ſehr
poetiſchen Charakter bekannt ſind, oder in
der Fabel Aeſops, muͤßten die Thiere nicht
mehr ſprechen, und in keiner Fiktion muͤßte
ich erdichtete Perſonen gebrauchen koͤnnen —
warum? weil ſie der Wahrheit entgegen
ſind. — Der Wahrheit wegen brauche
ich ſie auch nicht; aber ihrer poetiſchen Be-
ſtandheit:
und wenn es perſonificirte Din-
ge
ſind; der ſinnlichen Anſchauung wegen.
Freilich, die die mythologiſchen Namen blos
„als leere Schaͤlle * gebrauchen,„ die koͤn-
nen ihrer entrathen; ſind das aber Dichter?
Weiter: „es iſt ein ſehr mittelmaͤßiger Kopf,
„der nichts ſelbſt in Vorrath hat, ſondern
„hundertmal wiederholte Bilder wiederholen
„muß **!„ nicht blos ein mittelmaͤßiger,
ſondern ein ſchlechter Kopf iſt, der nichts
im Vorrath hat, der blos wiederholt; aber
wer hundertmal auf einerlei Art gebrauchte
Bilder, auf eine neue Art braucht, wer

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* pag. 126.
** pag. 127.
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[126/0134] oder allgemeine Wahrheiten durch ſie ſinnlich erkannt werden: ſo ſind mir ja mythologiſche Perſonen erlaubt, die durch- gaͤngig unter einem beſtimmten und dazu ſehr poetiſchen Charakter bekannt ſind, oder in der Fabel Aeſops, muͤßten die Thiere nicht mehr ſprechen, und in keiner Fiktion muͤßte ich erdichtete Perſonen gebrauchen koͤnnen — warum? weil ſie der Wahrheit entgegen ſind. — Der Wahrheit wegen brauche ich ſie auch nicht; aber ihrer poetiſchen Be- ſtandheit: und wenn es perſonificirte Din- ge ſind; der ſinnlichen Anſchauung wegen. Freilich, die die mythologiſchen Namen blos „als leere Schaͤlle * gebrauchen,„ die koͤn- nen ihrer entrathen; ſind das aber Dichter? Weiter: „es iſt ein ſehr mittelmaͤßiger Kopf, „der nichts ſelbſt in Vorrath hat, ſondern „hundertmal wiederholte Bilder wiederholen „muß **!„ nicht blos ein mittelmaͤßiger, ſondern ein ſchlechter Kopf iſt, der nichts im Vorrath hat, der blos wiederholt; aber wer hundertmal auf einerlei Art gebrauchte Bilder, auf eine neue Art braucht, wer hundert- * pag. 126. ** pag. 127.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/134>, abgerufen am 21.11.2024.