daran gelegen, ob sie von den Griechen, oder Scandinaviern, den Römern, oder alten Deutschen erfunden sind. Nur, ich wieder- hole es nochmals, sie müssen so durchgängig bekannt, mit so vielen dichterischen Erzä- lungen ausgeschmückt, und an Tönen nicht rauh seyn. Der Dichter und Artist braucht, um seine vollkommen sinnliche Schönheit zu erreichen, oft solche personificirte Stücke der Natur: hier einen Wasser-dort unterirr- dischen Gott, wo der Begrif von Meer nicht paßlich, und die Jdee vom Teufel nicht edel gnug war. Hier hat der Verfasser die Ursache, warum ein Neptun und Pluto nöthig waren, blos als poetische Geschöpfe, nicht Namen.
Er fährt fort *: "die Mythologie beruht "auf nichts, als dem Jrrthum und dem Aber- "glauben der Alten!" gut! Religions-Be- griffe, Bilder der Wahrheit muß sie also uns nicht geben; aber wir nuzzen sie auf einer an- dern Seite, der sinnlichen Schönheit we- gen. Wenn ich mythologische Jdeen und Bil- der gebrauche, so fern gewisse moralische,
oder
* pag. 125.
daran gelegen, ob ſie von den Griechen, oder Scandinaviern, den Roͤmern, oder alten Deutſchen erfunden ſind. Nur, ich wieder- hole es nochmals, ſie muͤſſen ſo durchgaͤngig bekannt, mit ſo vielen dichteriſchen Erzaͤ- lungen ausgeſchmuͤckt, und an Toͤnen nicht rauh ſeyn. Der Dichter und Artiſt braucht, um ſeine vollkommen ſinnliche Schoͤnheit zu erreichen, oft ſolche perſonificirte Stuͤcke der Natur: hier einen Waſſer-dort unterirr- diſchen Gott, wo der Begrif von Meer nicht paßlich, und die Jdee vom Teufel nicht edel gnug war. Hier hat der Verfaſſer die Urſache, warum ein Neptun und Pluto noͤthig waren, blos als poetiſche Geſchoͤpfe, nicht Namen.
Er faͤhrt fort *: „die Mythologie beruht „auf nichts, als dem Jrrthum und dem Aber- „glauben der Alten!„ gut! Religions-Be- griffe, Bilder der Wahrheit muß ſie alſo uns nicht geben; aber wir nuzzen ſie auf einer an- dern Seite, der ſinnlichen Schoͤnheit we- gen. Wenn ich mythologiſche Jdeen und Bil- der gebrauche, ſo fern gewiſſe moraliſche,
oder
* pag. 125.
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daran gelegen, ob ſie von den Griechen, oder
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hole es nochmals, ſie muͤſſen ſo durchgaͤngig
bekannt, mit ſo vielen dichteriſchen Erzaͤ-
lungen ausgeſchmuͤckt, und an Toͤnen nicht
rauh ſeyn. Der Dichter und Artiſt braucht,
um ſeine vollkommen ſinnliche Schoͤnheit zu
erreichen, oft ſolche perſonificirte Stuͤcke der
Natur: hier einen Waſſer-dort unterirr-
diſchen Gott, wo der Begrif von Meer
nicht paßlich, und die Jdee vom Teufel
nicht edel gnug war. Hier hat der Verfaſſer
die Urſache, warum ein Neptun und Pluto
noͤthig waren, blos als poetiſche Geſchoͤpfe,
nicht Namen.
Er faͤhrt fort *: „die Mythologie beruht
„auf nichts, als dem Jrrthum und dem Aber-
„glauben der Alten!„ gut! Religions-Be-
griffe, Bilder der Wahrheit muß ſie alſo uns
nicht geben; aber wir nuzzen ſie auf einer an-
dern Seite, der ſinnlichen Schoͤnheit we-
gen. Wenn ich mythologiſche Jdeen und Bil-
der gebrauche, ſo fern gewiſſe moraliſche,
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/133>, abgerufen am 21.11.2024.
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