Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

ist die Mythologie nicht Zweck, sondern Mit-
tel zu großen Absichten -- wer sie uns un-
tersagt, gebe uns andere.

Der Verf. gibt uns einige; aber Schade,
daß sie nicht völlig seyn können, was jene
sind: er empfielt uns Allegorie *: man soll
Tugenden und Laster, die Affekten der Seele
u. s. w. z. E. Scham, Fruchtbarkeit, Glück,
Treu, Wahrheit, Neid, Wollust, Zorn, Un-
einigkeit, Gerechtigkeit, Ueberfluß, Zeit u. s. w.
in Leiber hüllen, und wie der Künstler, sie
auch poetisch gebrauchen. -- Wie Dichter
und Künstler in dem Gebrauch derselben un-
terschieden sind, hat Leßing in seinem Lao-
koon ** im Vorbeigehen berühret; ob sie dem
Dichter aber zu den großen Zwecken, zu de-
nen er die Mythologie anwenden kann, die-
nen -- Dies möchte hier am unrechten Ort
eine zu lange Parenthese einschalten. Es
gehöret, so wie der andre Vorschlag, die
neuern Entdeckungen, und die Merkwür-
digkeiten der Natur
in neuerfundnen Län-

dern
* Epist. Hom. p. 128.
** Leßings Laokoon p. 113. etc.
K 2

iſt die Mythologie nicht Zweck, ſondern Mit-
tel zu großen Abſichten — wer ſie uns un-
terſagt, gebe uns andere.

Der Verf. gibt uns einige; aber Schade,
daß ſie nicht voͤllig ſeyn koͤnnen, was jene
ſind: er empfielt uns Allegorie *: man ſoll
Tugenden und Laſter, die Affekten der Seele
u. ſ. w. z. E. Scham, Fruchtbarkeit, Gluͤck,
Treu, Wahrheit, Neid, Wolluſt, Zorn, Un-
einigkeit, Gerechtigkeit, Ueberfluß, Zeit u. ſ. w.
in Leiber huͤllen, und wie der Kuͤnſtler, ſie
auch poetiſch gebrauchen. — Wie Dichter
und Kuͤnſtler in dem Gebrauch derſelben un-
terſchieden ſind, hat Leßing in ſeinem Lao-
koon ** im Vorbeigehen beruͤhret; ob ſie dem
Dichter aber zu den großen Zwecken, zu de-
nen er die Mythologie anwenden kann, die-
nen — Dies moͤchte hier am unrechten Ort
eine zu lange Parentheſe einſchalten. Es
gehoͤret, ſo wie der andre Vorſchlag, die
neuern Entdeckungen, und die Merkwuͤr-
digkeiten der Natur
in neuerfundnen Laͤn-

dern
* Epiſt. Hom. p. 128.
** Leßings Laokoon p. 113. ꝛc.
K 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0155" n="147"/>
i&#x017F;t die Mythologie nicht Zweck, &#x017F;ondern Mit-<lb/>
tel zu großen Ab&#x017F;ichten &#x2014; wer &#x017F;ie uns un-<lb/>
ter&#x017F;agt, gebe uns andere.</p><lb/>
                <p>Der Verf. gibt uns einige; aber Schade,<lb/>
daß &#x017F;ie nicht vo&#x0364;llig &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, was jene<lb/>
&#x017F;ind: er empfielt uns <hi rendition="#fr">Allegorie</hi> <note place="foot" n="*"><hi rendition="#aq">Epi&#x017F;t. Hom. p.</hi> 128.</note>: man &#x017F;oll<lb/><hi rendition="#fr">Tugenden</hi> und <hi rendition="#fr">La&#x017F;ter,</hi> die Affekten der Seele<lb/>
u. &#x017F;. w. z. E. Scham, Fruchtbarkeit, Glu&#x0364;ck,<lb/>
Treu, Wahrheit, Neid, Wollu&#x017F;t, Zorn, Un-<lb/>
einigkeit, Gerechtigkeit, Ueberfluß, Zeit u. &#x017F;. w.<lb/>
in Leiber hu&#x0364;llen, und wie der Ku&#x0364;n&#x017F;tler, &#x017F;ie<lb/>
auch poeti&#x017F;ch gebrauchen. &#x2014; Wie Dichter<lb/>
und Ku&#x0364;n&#x017F;tler in dem Gebrauch der&#x017F;elben un-<lb/>
ter&#x017F;chieden &#x017F;ind, hat Leßing in &#x017F;einem Lao-<lb/>
koon <note place="foot" n="**"><hi rendition="#fr">Leßings Laokoon</hi> p. 113. &#xA75B;c.</note> im Vorbeigehen beru&#x0364;hret; ob &#x017F;ie dem<lb/>
Dichter aber zu den großen Zwecken, zu de-<lb/>
nen er die Mythologie anwenden kann, die-<lb/>
nen &#x2014; Dies mo&#x0364;chte hier am unrechten Ort<lb/>
eine zu lange Parenthe&#x017F;e ein&#x017F;chalten. Es<lb/>
geho&#x0364;ret, &#x017F;o wie der andre Vor&#x017F;chlag, die<lb/><hi rendition="#fr">neuern Entdeckungen,</hi> und die <hi rendition="#fr">Merkwu&#x0364;r-<lb/>
digkeiten der Natur</hi> in neuerfundnen La&#x0364;n-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 2</fw><fw place="bottom" type="catch">dern</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0155] iſt die Mythologie nicht Zweck, ſondern Mit- tel zu großen Abſichten — wer ſie uns un- terſagt, gebe uns andere. Der Verf. gibt uns einige; aber Schade, daß ſie nicht voͤllig ſeyn koͤnnen, was jene ſind: er empfielt uns Allegorie *: man ſoll Tugenden und Laſter, die Affekten der Seele u. ſ. w. z. E. Scham, Fruchtbarkeit, Gluͤck, Treu, Wahrheit, Neid, Wolluſt, Zorn, Un- einigkeit, Gerechtigkeit, Ueberfluß, Zeit u. ſ. w. in Leiber huͤllen, und wie der Kuͤnſtler, ſie auch poetiſch gebrauchen. — Wie Dichter und Kuͤnſtler in dem Gebrauch derſelben un- terſchieden ſind, hat Leßing in ſeinem Lao- koon ** im Vorbeigehen beruͤhret; ob ſie dem Dichter aber zu den großen Zwecken, zu de- nen er die Mythologie anwenden kann, die- nen — Dies moͤchte hier am unrechten Ort eine zu lange Parentheſe einſchalten. Es gehoͤret, ſo wie der andre Vorſchlag, die neuern Entdeckungen, und die Merkwuͤr- digkeiten der Natur in neuerfundnen Laͤn- dern * Epiſt. Hom. p. 128. ** Leßings Laokoon p. 113. ꝛc. K 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/155
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/155>, abgerufen am 21.11.2024.