"keit besitzen, werden von dem Odendichter "übersprungen, und daraus entsteht die an- "scheinende Unordnung, die man der Ode "zuschreibt. Durch diese Betrachtung läßt "sich auch entscheiden, in welcher Gattung "von Oden ausgemahlte Bilder und Gleich- "nisse, öfters auch Digreßionen und Neben- "betrachtungen erlaubt sind, und in welcher "die Bilder und Gleichnisse, nur mit großen "Pinselstrichen zu berühren, und die Aus- "schweifungen von dem Hauptgegenstande "sorgfältig zu vermeiden sind. Aus diesen "Begriffen kann man die Regeln herleiten, "wo die Ode anfangen und schließen muß."
"Da die Anlegung des Plans zu einem "Gedichte, und also auch zur Ode kein Werk "der Begeisterung, sondern des Nachdenkens "und der überlegenden Vernunft ist: so muß "der Plan der Ode dem Dichter ungemeine "Schwierigkeiten machen: denn hier muß die "Vernunft überdenken, was die feurige Be- "geisterung für einen Weg nehmen würde. "Man muß durch Nachdenken und Vernunft- "schlüsse ergründen, welche Jdeen die lebhaf- "testen seyn, und in welcher Ordnung sie nach
"dem
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„keit beſitzen, werden von dem Odendichter „uͤberſprungen, und daraus entſteht die an- „ſcheinende Unordnung, die man der Ode „zuſchreibt. Durch dieſe Betrachtung laͤßt „ſich auch entſcheiden, in welcher Gattung „von Oden ausgemahlte Bilder und Gleich- „niſſe, oͤfters auch Digreßionen und Neben- „betrachtungen erlaubt ſind, und in welcher „die Bilder und Gleichniſſe, nur mit großen „Pinſelſtrichen zu beruͤhren, und die Aus- „ſchweifungen von dem Hauptgegenſtande „ſorgfaͤltig zu vermeiden ſind. Aus dieſen „Begriffen kann man die Regeln herleiten, „wo die Ode anfangen und ſchließen muß.„
„Da die Anlegung des Plans zu einem „Gedichte, und alſo auch zur Ode kein Werk „der Begeiſterung, ſondern des Nachdenkens „und der uͤberlegenden Vernunft iſt: ſo muß „der Plan der Ode dem Dichter ungemeine „Schwierigkeiten machen: denn hier muß die „Vernunft uͤberdenken, was die feurige Be- „geiſterung fuͤr einen Weg nehmen wuͤrde. „Man muß durch Nachdenken und Vernunft- „ſchluͤſſe ergruͤnden, welche Jdeen die lebhaf- „teſten ſeyn, und in welcher Ordnung ſie nach
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[195/0203]
„keit beſitzen, werden von dem Odendichter
„uͤberſprungen, und daraus entſteht die an-
„ſcheinende Unordnung, die man der Ode
„zuſchreibt. Durch dieſe Betrachtung laͤßt
„ſich auch entſcheiden, in welcher Gattung
„von Oden ausgemahlte Bilder und Gleich-
„niſſe, oͤfters auch Digreßionen und Neben-
„betrachtungen erlaubt ſind, und in welcher
„die Bilder und Gleichniſſe, nur mit großen
„Pinſelſtrichen zu beruͤhren, und die Aus-
„ſchweifungen von dem Hauptgegenſtande
„ſorgfaͤltig zu vermeiden ſind. Aus dieſen
„Begriffen kann man die Regeln herleiten,
„wo die Ode anfangen und ſchließen muß.„
„Da die Anlegung des Plans zu einem
„Gedichte, und alſo auch zur Ode kein Werk
„der Begeiſterung, ſondern des Nachdenkens
„und der uͤberlegenden Vernunft iſt: ſo muß
„der Plan der Ode dem Dichter ungemeine
„Schwierigkeiten machen: denn hier muß die
„Vernunft uͤberdenken, was die feurige Be-
„geiſterung fuͤr einen Weg nehmen wuͤrde.
„Man muß durch Nachdenken und Vernunft-
„ſchluͤſſe ergruͤnden, welche Jdeen die lebhaf-
„teſten ſeyn, und in welcher Ordnung ſie nach
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/203>, abgerufen am 16.02.2025.
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