Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.Meisterstück. Dieses Dichters Empfindun- Zeit, Ort und Umstände sind dem elegischen gleich * Mir fällt hiebei einer der besten Gellertschen
Briefe ein, der seine Gedanken auf einem Landkirchhofe erzählet. -- Jch glaube, daß eben so Zeit, Ort und Umstände dem Leser der Elegien nicht ganz einerlei sind. Nie habe ich Youngs Klagen und Creuzens Gräber mit so gleichgestimmten Ton der Seele gelesen, als Meiſterſtuͤck. Dieſes Dichters Empfindun- Zeit, Ort und Umſtaͤnde ſind dem elegiſchen gleich * Mir faͤllt hiebei einer der beſten Gellertſchen
Briefe ein, der ſeine Gedanken auf einem Landkirchhofe erzaͤhlet. — Jch glaube, daß eben ſo Zeit, Ort und Umſtaͤnde dem Leſer der Elegien nicht ganz einerlei ſind. Nie habe ich Youngs Klagen und Creuzens Graͤber mit ſo gleichgeſtimmten Ton der Seele geleſen, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0243" n="235"/> Meiſterſtuͤck. Dieſes Dichters Empfindun-<lb/> gen entſtehen aus der Betrachtung, daß man-<lb/> cher brauchbare Mann, manches Genie, das<lb/> auf einem hoͤhern Poſten einen lichten Glanz,<lb/> erquickende Waͤrme rings um ſich wuͤrde ver-<lb/> breitet haben, auf dieſem Gottesacker unbe-<lb/> kannt und unerwaͤhnt liege. Weil ich jetzt<lb/> dies Muſter in Gedanken habe; ſo will ich<lb/> ſo gleich ein paar Anmerkungen, die ich da-<lb/> bei machen kann, hier mit nehmen.</p><lb/> <p>Zeit, Ort und Umſtaͤnde ſind dem elegiſchen<lb/> Dichter nicht ganz einerlei. Die Stunden,<lb/> darum der einſame Vogel der Nacht aus ſei-<lb/> nem philoſophiſchen Schlummer ſich erhebt,<lb/> und durch das mitternaͤchtliche Echo ſeinen<lb/> Flug ankuͤndigen laͤßt, ſind fuͤr ihn am be-<lb/> quemſten. Nicht allemal muß es eben ein<lb/> Gottesacker auf dem Lande <note xml:id="seg2pn_14_1" next="#seg2pn_14_2" place="foot" n="*">Mir faͤllt hiebei einer der beſten Gellertſchen<lb/> Briefe ein, der ſeine Gedanken auf einem<lb/> Landkirchhofe erzaͤhlet. — Jch glaube, daß<lb/> eben ſo Zeit, Ort und Umſtaͤnde dem Leſer der<lb/> Elegien nicht ganz einerlei ſind. Nie habe ich<lb/><hi rendition="#fr">Youngs Klagen</hi> und <hi rendition="#fr">Creuzens Graͤber</hi><lb/> mit ſo gleichgeſtimmten Ton der Seele geleſen,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">als</fw></note> ſeyn, ob ich<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gleich</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [235/0243]
Meiſterſtuͤck. Dieſes Dichters Empfindun-
gen entſtehen aus der Betrachtung, daß man-
cher brauchbare Mann, manches Genie, das
auf einem hoͤhern Poſten einen lichten Glanz,
erquickende Waͤrme rings um ſich wuͤrde ver-
breitet haben, auf dieſem Gottesacker unbe-
kannt und unerwaͤhnt liege. Weil ich jetzt
dies Muſter in Gedanken habe; ſo will ich
ſo gleich ein paar Anmerkungen, die ich da-
bei machen kann, hier mit nehmen.
Zeit, Ort und Umſtaͤnde ſind dem elegiſchen
Dichter nicht ganz einerlei. Die Stunden,
darum der einſame Vogel der Nacht aus ſei-
nem philoſophiſchen Schlummer ſich erhebt,
und durch das mitternaͤchtliche Echo ſeinen
Flug ankuͤndigen laͤßt, ſind fuͤr ihn am be-
quemſten. Nicht allemal muß es eben ein
Gottesacker auf dem Lande * ſeyn, ob ich
gleich
* Mir faͤllt hiebei einer der beſten Gellertſchen
Briefe ein, der ſeine Gedanken auf einem
Landkirchhofe erzaͤhlet. — Jch glaube, daß
eben ſo Zeit, Ort und Umſtaͤnde dem Leſer der
Elegien nicht ganz einerlei ſind. Nie habe ich
Youngs Klagen und Creuzens Graͤber
mit ſo gleichgeſtimmten Ton der Seele geleſen,
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