mischen Sprache, der Weltweisheit und Na- turkunde zu seyn, der selbst ein Kenner voll Gelehrsamkeit und Geschmack war, der aber, ohngeachtet aller seiner Mühe, nichts als der Märtrer seiner Zeit wurde: dieser Ruhm- würdige Kaiser hat nicht einmal das leidige Verdienst, von unsrer Zeit, als der Morgen- stern eines bessern Tages in allem seinem Lichte betrachtet zu werden. -- Die Wolke, die auf dieser Zeit lag, muste jeden Keim der Weisheit ersticken: jeder Fromme war Bar- bar und Knecht, und jeder, der sich unterstand, weise zu seyn, heißt in der Geschichte ein Dummer, und Gottloser, oder ward gar ein Unglücklicher. -- Sollte es also Ru- dolph von Habspurg auch blos aus Un- wissenheit gethan haben, daß er die Mutter- sprache Deutschlandes so weit einzuführen suchte, als er konnte: -- man hätte dies lange vor ihm thun sollen. Jedoch ich schreibe keine Geschichte über diese Zeit, da Deutsch- land an Geist und Körper unterdrücket, durch Zwietracht, Unwissenheit und Bosheit ent- nervt, völlig seinen Charakter verlohren.
Non
Fragm.IIIS. B
miſchen Sprache, der Weltweisheit und Na- turkunde zu ſeyn, der ſelbſt ein Kenner voll Gelehrſamkeit und Geſchmack war, der aber, ohngeachtet aller ſeiner Muͤhe, nichts als der Maͤrtrer ſeiner Zeit wurde: dieſer Ruhm- wuͤrdige Kaiſer hat nicht einmal das leidige Verdienſt, von unſrer Zeit, als der Morgen- ſtern eines beſſern Tages in allem ſeinem Lichte betrachtet zu werden. — Die Wolke, die auf dieſer Zeit lag, muſte jeden Keim der Weisheit erſticken: jeder Fromme war Bar- bar und Knecht, und jeder, der ſich unterſtand, weiſe zu ſeyn, heißt in der Geſchichte ein Dummer, und Gottloſer, oder ward gar ein Ungluͤcklicher. — Sollte es alſo Ru- dolph von Habspurg auch blos aus Un- wiſſenheit gethan haben, daß er die Mutter- ſprache Deutſchlandes ſo weit einzufuͤhren ſuchte, als er konnte: — man haͤtte dies lange vor ihm thun ſollen. Jedoch ich ſchreibe keine Geſchichte uͤber dieſe Zeit, da Deutſch- land an Geiſt und Koͤrper unterdruͤcket, durch Zwietracht, Unwiſſenheit und Bosheit ent- nervt, voͤllig ſeinen Charakter verlohren.
Non
Fragm.IIIS. B
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0025"n="17"/>
miſchen Sprache, der Weltweisheit und Na-<lb/>
turkunde zu ſeyn, der ſelbſt ein Kenner voll<lb/>
Gelehrſamkeit und Geſchmack war, der aber,<lb/>
ohngeachtet aller ſeiner Muͤhe, nichts als der<lb/>
Maͤrtrer ſeiner Zeit wurde: dieſer Ruhm-<lb/>
wuͤrdige Kaiſer hat nicht einmal das leidige<lb/>
Verdienſt, von unſrer Zeit, als der Morgen-<lb/>ſtern eines beſſern Tages in allem ſeinem Lichte<lb/>
betrachtet zu werden. — Die Wolke, die<lb/>
auf dieſer Zeit lag, muſte jeden Keim der<lb/>
Weisheit erſticken: jeder Fromme war Bar-<lb/>
bar und Knecht, und jeder, der ſich unterſtand,<lb/>
weiſe zu ſeyn, heißt in der Geſchichte ein<lb/>
Dummer, und Gottloſer, oder ward gar<lb/>
ein Ungluͤcklicher. — Sollte es alſo <hirendition="#fr">Ru-<lb/>
dolph von Habspurg</hi> auch blos aus Un-<lb/>
wiſſenheit gethan haben, daß er die Mutter-<lb/>ſprache Deutſchlandes ſo weit einzufuͤhren<lb/>ſuchte, als er konnte: — man haͤtte dies lange<lb/>
vor ihm thun ſollen. Jedoch ich ſchreibe<lb/>
keine <hirendition="#fr">Geſchichte</hi> uͤber dieſe Zeit, da Deutſch-<lb/>
land an Geiſt und Koͤrper unterdruͤcket, durch<lb/>
Zwietracht, Unwiſſenheit und Bosheit ent-<lb/>
nervt, voͤllig ſeinen Charakter verlohren.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Fragm.</hi><hirendition="#aq">III</hi><hirendition="#fr">S.</hi> B</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">Non</hi></fw><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[17/0025]
miſchen Sprache, der Weltweisheit und Na-
turkunde zu ſeyn, der ſelbſt ein Kenner voll
Gelehrſamkeit und Geſchmack war, der aber,
ohngeachtet aller ſeiner Muͤhe, nichts als der
Maͤrtrer ſeiner Zeit wurde: dieſer Ruhm-
wuͤrdige Kaiſer hat nicht einmal das leidige
Verdienſt, von unſrer Zeit, als der Morgen-
ſtern eines beſſern Tages in allem ſeinem Lichte
betrachtet zu werden. — Die Wolke, die
auf dieſer Zeit lag, muſte jeden Keim der
Weisheit erſticken: jeder Fromme war Bar-
bar und Knecht, und jeder, der ſich unterſtand,
weiſe zu ſeyn, heißt in der Geſchichte ein
Dummer, und Gottloſer, oder ward gar
ein Ungluͤcklicher. — Sollte es alſo Ru-
dolph von Habspurg auch blos aus Un-
wiſſenheit gethan haben, daß er die Mutter-
ſprache Deutſchlandes ſo weit einzufuͤhren
ſuchte, als er konnte: — man haͤtte dies lange
vor ihm thun ſollen. Jedoch ich ſchreibe
keine Geſchichte uͤber dieſe Zeit, da Deutſch-
land an Geiſt und Koͤrper unterdruͤcket, durch
Zwietracht, Unwiſſenheit und Bosheit ent-
nervt, voͤllig ſeinen Charakter verlohren.
Non
Fragm. III S. B
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/25>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.