Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

"der Eitelkeit würde er Gedichte herausgege-
"ben haben, und ganz gewiß schlechte Ge-
"dichte. Aber die Theile in den Reden der
"Alten sind einerlei mit den unsrigen gewe-
"sen, und auf einerlei Art gemacht worden?
"Was kann das helfen? Es kömmt auf den
"Gebrauch dieser Theile an. Ein Haufen
"macht seine Kriegsübungen so wie ein gan-
"zes Heer. Er rückt fort, er lenkt sich, er
"hält zusammen, jeder Soldat handelt.
"Wird deswegen ein Stadthauptmann in ei-
"ner Reichsstadt, der seine Bürgerkompa-
"gnien mustern kann, Feldherr seyn? Viel-
"leicht bis auf die zwo Kleinigkeiten, daß
"der Feldherr ein ganzes Heer in Bewegung
"setzt, und gegen einen Feind in Bewegung
"setzt -- Unsern Rednern fehlt die Materie,
"ein solches Ganzes zu machen, und der
"Feind, den sie überwinden müssen. Dies
"ist der Unterschied zwischen der acies und
"der palaestr2 des Cicero."



6. Sol-
Fragm. III S. S

„der Eitelkeit wuͤrde er Gedichte herausgege-
„ben haben, und ganz gewiß ſchlechte Ge-
„dichte. Aber die Theile in den Reden der
„Alten ſind einerlei mit den unſrigen gewe-
„ſen, und auf einerlei Art gemacht worden?
„Was kann das helfen? Es koͤmmt auf den
„Gebrauch dieſer Theile an. Ein Haufen
„macht ſeine Kriegsuͤbungen ſo wie ein gan-
„zes Heer. Er ruͤckt fort, er lenkt ſich, er
„haͤlt zuſammen, jeder Soldat handelt.
„Wird deswegen ein Stadthauptmann in ei-
„ner Reichsſtadt, der ſeine Buͤrgerkompa-
„gnien muſtern kann, Feldherr ſeyn? Viel-
„leicht bis auf die zwo Kleinigkeiten, daß
„der Feldherr ein ganzes Heer in Bewegung
„ſetzt, und gegen einen Feind in Bewegung
„ſetzt — Unſern Rednern fehlt die Materie,
„ein ſolches Ganzes zu machen, und der
„Feind, den ſie uͤberwinden muͤſſen. Dies
„iſt der Unterſchied zwiſchen der acies und
„der palaeſtr2 des Cicero.



6. Sol-
Fragm. III S. S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0281" n="273"/>
&#x201E;der Eitelkeit wu&#x0364;rde er Gedichte herausgege-<lb/>
&#x201E;ben haben, und ganz gewiß &#x017F;chlechte Ge-<lb/>
&#x201E;dichte. Aber die Theile in den Reden der<lb/>
&#x201E;Alten &#x017F;ind einerlei mit den un&#x017F;rigen gewe-<lb/>
&#x201E;&#x017F;en, und auf einerlei Art gemacht worden?<lb/>
&#x201E;Was kann das helfen? Es ko&#x0364;mmt auf den<lb/>
&#x201E;Gebrauch die&#x017F;er Theile an. Ein Haufen<lb/>
&#x201E;macht &#x017F;eine Kriegsu&#x0364;bungen &#x017F;o wie ein gan-<lb/>
&#x201E;zes Heer. Er ru&#x0364;ckt fort, er lenkt &#x017F;ich, er<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;lt zu&#x017F;ammen, jeder Soldat handelt.<lb/>
&#x201E;Wird deswegen ein Stadthauptmann in ei-<lb/>
&#x201E;ner Reichs&#x017F;tadt, der &#x017F;eine Bu&#x0364;rgerkompa-<lb/>
&#x201E;gnien mu&#x017F;tern kann, Feldherr &#x017F;eyn? Viel-<lb/>
&#x201E;leicht bis auf die zwo Kleinigkeiten, daß<lb/>
&#x201E;der Feldherr ein ganzes Heer in Bewegung<lb/>
&#x201E;&#x017F;etzt, und gegen einen Feind in Bewegung<lb/>
&#x201E;&#x017F;etzt &#x2014; Un&#x017F;ern Rednern fehlt die Materie,<lb/>
&#x201E;ein &#x017F;olches Ganzes zu machen, und der<lb/>
&#x201E;Feind, den &#x017F;ie u&#x0364;berwinden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Dies<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen der <hi rendition="#aq">acies</hi> und<lb/>
&#x201E;der <hi rendition="#aq">palae&#x017F;tr2</hi> des <hi rendition="#fr">Cicero.</hi>&#x201E;</p>
              </div><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Fragm.</hi><hi rendition="#aq">III</hi><hi rendition="#fr">S.</hi> S</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">6. Sol-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0281] „der Eitelkeit wuͤrde er Gedichte herausgege- „ben haben, und ganz gewiß ſchlechte Ge- „dichte. Aber die Theile in den Reden der „Alten ſind einerlei mit den unſrigen gewe- „ſen, und auf einerlei Art gemacht worden? „Was kann das helfen? Es koͤmmt auf den „Gebrauch dieſer Theile an. Ein Haufen „macht ſeine Kriegsuͤbungen ſo wie ein gan- „zes Heer. Er ruͤckt fort, er lenkt ſich, er „haͤlt zuſammen, jeder Soldat handelt. „Wird deswegen ein Stadthauptmann in ei- „ner Reichsſtadt, der ſeine Buͤrgerkompa- „gnien muſtern kann, Feldherr ſeyn? Viel- „leicht bis auf die zwo Kleinigkeiten, daß „der Feldherr ein ganzes Heer in Bewegung „ſetzt, und gegen einen Feind in Bewegung „ſetzt — Unſern Rednern fehlt die Materie, „ein ſolches Ganzes zu machen, und der „Feind, den ſie uͤberwinden muͤſſen. Dies „iſt der Unterſchied zwiſchen der acies und „der palaeſtr2 des Cicero.„ 6. Sol- Fragm. III S. S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/281
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/281>, abgerufen am 21.11.2024.