Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.gesellschaftlichen Tons uns weit voraus sind: - 6. Jetzt bitte ich einige Dichter etwas beyseit; eine Fragm. III S. E
geſellſchaftlichen Tons uns weit voraus ſind: – 6. Jetzt bitte ich einige Dichter etwas beyſeit; eine Fragm. III S. E
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0073" n="65"/> geſellſchaftlichen Tons uns weit voraus ſind: –<lb/> ihr Deutſche, wo haben wir ſie denn? Jch<lb/> muß mich ja ſchaͤmen, einen <hi rendition="#fr">Koͤſter</hi> neben<lb/><hi rendition="#fr">Algarotti</hi> zu ſezzen!</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="5"> <head> <hi rendition="#b">6.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">J</hi>etzt bitte ich einige Dichter etwas beyſeit;<lb/> mit denen ich ein Wort zu ſprechen habe.<lb/> Wenn bei <hi rendition="#fr">ſinnlichen Begriffen,</hi> bei <hi rendition="#fr">Er-<lb/> fahrungsideen,</hi> bei <hi rendition="#fr">einfachen</hi> Wahrheiten,<lb/> und in der <hi rendition="#fr">klaren Sprache</hi> des <hi rendition="#fr">natuͤrlichen<lb/> Lebens</hi> der <hi rendition="#fr">Gedanke</hi> am <hi rendition="#fr">Ausdrucke</hi> ſo ſehr<lb/> klebt: ſo wird fuͤr den, der meiſtens aus die-<lb/> ſer Quelle ſchoͤpfen muß, fuͤr den, der gleich-<lb/> ſam der Oberherr dieſer Sphaͤre geweſen,<lb/> (wenigſtens in der alten ſinnlichen Zeit der<lb/> Welt) fuͤr ihn, muß der <hi rendition="#fr">Gedanke zum Aus-<lb/> drucke</hi> ſich verhalten, nicht wie der Koͤrper<lb/> zur Haut, die ihn umziehet; ſondern wie die<lb/> Seele zum Koͤrper, den ſie bewohnet: und<lb/> ſo iſts fuͤr den <hi rendition="#fr">Dichter.</hi> Er ſoll <hi rendition="#fr">Empfin-<lb/> dungen</hi> ausdruͤcken: — Empfindungen durch<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Fragm.</hi><hi rendition="#aq">III</hi><hi rendition="#fr">S.</hi> E</fw><fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0073]
geſellſchaftlichen Tons uns weit voraus ſind: –
ihr Deutſche, wo haben wir ſie denn? Jch
muß mich ja ſchaͤmen, einen Koͤſter neben
Algarotti zu ſezzen!
6.
Jetzt bitte ich einige Dichter etwas beyſeit;
mit denen ich ein Wort zu ſprechen habe.
Wenn bei ſinnlichen Begriffen, bei Er-
fahrungsideen, bei einfachen Wahrheiten,
und in der klaren Sprache des natuͤrlichen
Lebens der Gedanke am Ausdrucke ſo ſehr
klebt: ſo wird fuͤr den, der meiſtens aus die-
ſer Quelle ſchoͤpfen muß, fuͤr den, der gleich-
ſam der Oberherr dieſer Sphaͤre geweſen,
(wenigſtens in der alten ſinnlichen Zeit der
Welt) fuͤr ihn, muß der Gedanke zum Aus-
drucke ſich verhalten, nicht wie der Koͤrper
zur Haut, die ihn umziehet; ſondern wie die
Seele zum Koͤrper, den ſie bewohnet: und
ſo iſts fuͤr den Dichter. Er ſoll Empfin-
dungen ausdruͤcken: — Empfindungen durch
eine
Fragm. III S. E
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