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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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gutthätig, vergnügt zu leben, verschwunden:
lebt sie mehr? Jm ganzen und im kleinsten
Theile, der einzige Gedanke des Meisters.

Jst dies nun das schöne Jdeal vom Zustan-
de, zu dem wir durch alles hingebildet sind,
das sich immer weiter in Europa ausbrei-
tet,
das in alle Welttheile hinschwimmet,
und alles policiren will, zu seyn, was wir
sind -- Menschen? Bürger
eines Vater-
lands? Wesen für sich
etwas zu seyn in der
Welt?
vielleicht wenigstens und gewiß aber
allesamt nach Anzahl, Bedürfnissen, Zweck
und Bestimmung politischer Calcul: jeder in
der Uniform seines Standes, Maschinen! --
da stehen nun jene glänzende Marktplätze
zur Bildung der Menschheit, Kanzel und
Schauplatz, Säle der Gerechtigkeit, Viblio-
theken, Schulen
und ja insonderheit die Kro-
nen aller illustre Akademien! Jn welchem
Glanz! zum ewigen Nachruhm der Fürsten!
zu wie großen Zwecken der Bildung und Auf-
klärung der Welt, der Glückseligkeit
der Menschen!
herrlich eingeweihet --
was thun sie denn? was können sie thun? --
sie spielen!

IV. Also



gutthaͤtig, vergnuͤgt zu leben, verſchwunden:
lebt ſie mehr? Jm ganzen und im kleinſten
Theile, der einzige Gedanke des Meiſters.

Jſt dies nun das ſchoͤne Jdeal vom Zuſtan-
de, zu dem wir durch alles hingebildet ſind,
das ſich immer weiter in Europa ausbrei-
tet,
das in alle Welttheile hinſchwimmet,
und alles policiren will, zu ſeyn, was wir
ſind — Menſchen? Buͤrger
eines Vater-
lands? Weſen fuͤr ſich
etwas zu ſeyn in der
Welt?
vielleicht wenigſtens und gewiß aber
alleſamt nach Anzahl, Beduͤrfniſſen, Zweck
und Beſtimmung politiſcher Calcul: jeder in
der Uniform ſeines Standes, Maſchinen! —
da ſtehen nun jene glaͤnzende Marktplaͤtze
zur Bildung der Menſchheit, Kanzel und
Schauplatz, Saͤle der Gerechtigkeit, Viblio-
theken, Schulen
und ja inſonderheit die Kro-
nen aller illuſtre Akademien! Jn welchem
Glanz! zum ewigen Nachruhm der Fuͤrſten!
zu wie großen Zwecken der Bildung und Auf-
klaͤrung der Welt, der Gluͤckſeligkeit
der Menſchen!
herrlich eingeweihet —
was thun ſie denn? was koͤnnen ſie thun? —
ſie ſpielen!

IV. Alſo
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[107/0111] gutthaͤtig, vergnuͤgt zu leben, verſchwunden: lebt ſie mehr? Jm ganzen und im kleinſten Theile, der einzige Gedanke des Meiſters. Jſt dies nun das ſchoͤne Jdeal vom Zuſtan- de, zu dem wir durch alles hingebildet ſind, das ſich immer weiter in Europa ausbrei- tet, das in alle Welttheile hinſchwimmet, und alles policiren will, zu ſeyn, was wir ſind — Menſchen? Buͤrger eines Vater- lands? Weſen fuͤr ſich etwas zu ſeyn in der Welt? vielleicht wenigſtens und gewiß aber alleſamt nach Anzahl, Beduͤrfniſſen, Zweck und Beſtimmung politiſcher Calcul: jeder in der Uniform ſeines Standes, Maſchinen! — da ſtehen nun jene glaͤnzende Marktplaͤtze zur Bildung der Menſchheit, Kanzel und Schauplatz, Saͤle der Gerechtigkeit, Viblio- theken, Schulen und ja inſonderheit die Kro- nen aller illuſtre Akademien! Jn welchem Glanz! zum ewigen Nachruhm der Fuͤrſten! zu wie großen Zwecken der Bildung und Auf- klaͤrung der Welt, der Gluͤckſeligkeit der Menſchen! herrlich eingeweihet — was thun ſie denn? was koͤnnen ſie thun? — ſie ſpielen! IV. Alſo

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/111>, abgerufen am 21.11.2024.