[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.sinden und verändern soll? wie stark und daurend diese Veränderung werde? und wie sie sich nun endlich in die tausendgestaltigen Anlässe und Fügungen des menschlichen Le- bens, geschweige eines Zeitalters, eines gan- zen Volks, des ganzen Europa, des ganzen Welt- alls, (wie unsre Demuth wähnet), hineinmi- sche und hineinwerfe -- ihr Götter, welche andre Welt von Fragen! Ein Mensch, der die künstliche Denkart man
ſinden und veraͤndern ſoll? wie ſtark und daurend dieſe Veraͤnderung werde? und wie ſie ſich nun endlich in die tauſendgeſtaltigen Anlaͤſſe und Fuͤgungen des menſchlichen Le- bens, geſchweige eines Zeitalters, eines gan- zen Volks, des ganzen Europa, des ganzen Welt- alls, (wie unſre Demuth waͤhnet), hineinmi- ſche und hineinwerfe — ihr Goͤtter, welche andre Welt von Fragen! Ein Menſch, der die kuͤnſtliche Denkart man
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nun in der Seele miſche? was es vor ſich
ſinden und veraͤndern ſoll? wie ſtark und
daurend dieſe Veraͤnderung werde? und wie
ſie ſich nun endlich in die tauſendgeſtaltigen
Anlaͤſſe und Fuͤgungen des menſchlichen Le-
bens, geſchweige eines Zeitalters, eines gan-
zen Volks, des ganzen Europa, des ganzen Welt-
alls, (wie unſre Demuth waͤhnet), hineinmi-
ſche und hineinwerfe — ihr Goͤtter, welche
andre Welt von Fragen!
Ein Menſch, der die kuͤnſtliche Denkart
unſers Jahrhunderts kennen lernte, laͤſe alle
Buͤcher, die wir von Kind auf leſen, loben und
wie es heißt, uns darnach bilden, ſammlete
die Grundſaͤtze, die wir alle laut oder ſchwei-
gend zugeſtehen, auch mit gewiſſen Kraͤften
unſrer Seele bearbeiten u. ſ. w. wollte hier-
aus nun auf das ganze lebendige Triebwerk
des Jahrhunderts Schluß machen — erbaͤrm-
licher Fehlſchuß! Eben weil dieſe Grundſaͤtze
ſo gaͤng und gaͤbe ſind; als Spielwerk von
Hand zu Hand, als Mundwerk von Lippe
zu Lippe gehen — eben deßwegen wirds wahr-
ſcheinlich, daß ſie keine Wuͤrkung mehr thun
koͤnnen. Braucht man, womit man ſpielt?
und wenn man des Getreydes ſoviel hat, daß
man
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