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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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dem wir Körner suchen und Krähen! Philo-
sophie
des Jahrhunderts!

"Wir haben keine Strassenräuber, keine
"Bürgerkriege, keine Unthaten mehr" --
aber wo? wie? und warum sollten wir sie ha-
ben? Unsre Länder sind so wohl policirt, mit
Landtraßen verhauen, mit Besatzungen ver-
propft,
Aecker weislich vertheilt, die weise
Justitz so wachsam -- wo soll der arme Spitz-
bube, wenn er auch Muth und Kraft zu dem
rauhen Handwerke hätte, es treiben? warum
es aber auch treiben? Er kann ja nach den
Sitten unsers Jahrhunderts auf eine weit be-
quemere,
gar ehrwürdige und glorreiche Weise
Haus-Kammer- und Betträuber werden --
in diesen Bedienungen vom Staate besolder wer-
den, -- warum sich nicht lieber besolden las-
sen?
Warum das unsichre Handwerk -- zu dem
er -- und darauf kommts hinaus -- weder
Muth noch Kraft, noch Gelegenheit hat? Gna-
de Gott eurer neuen, freywilligen Tugend!

Haben wir "keine bürgerlichen Kriege," weil
wir alle so zufriedene, allgesättigte, glückliche
Unterthanen sind? Oder ists nicht eben aus Ur-
sachen, die oft gerade das Gegentheil beglei-

ten?



dem wir Koͤrner ſuchen und Kraͤhen! Philo-
ſophie
des Jahrhunderts!

„Wir haben keine Straſſenraͤuber, keine
Buͤrgerkriege, keine Unthaten mehr„ —
aber wo? wie? und warum ſollten wir ſie ha-
ben? Unſre Laͤnder ſind ſo wohl policirt, mit
Landtraßen verhauen, mit Beſatzungen ver-
propft,
Aecker weislich vertheilt, die weiſe
Juſtitz ſo wachſam — wo ſoll der arme Spitz-
bube, wenn er auch Muth und Kraft zu dem
rauhen Handwerke haͤtte, es treiben? warum
es aber auch treiben? Er kann ja nach den
Sitten unſers Jahrhunderts auf eine weit be-
quemere,
gar ehrwuͤrdige und glorreiche Weiſe
Haus-Kammer- und Bettraͤuber werden —
in dieſen Bedienungen vom Staate beſolder wer-
den, — warum ſich nicht lieber beſolden laſ-
ſen?
Warum das unſichre Handwerk — zu dem
er — und darauf kommts hinaus — weder
Muth noch Kraft, noch Gelegenheit hat? Gna-
de Gott eurer neuen, freywilligen Tugend!

Haben wir „keine buͤrgerlichen Kriege,„ weil
wir alle ſo zufriedene, allgeſaͤttigte, gluͤckliche
Unterthanen ſind? Oder iſts nicht eben aus Ur-
ſachen, die oft gerade das Gegentheil beglei-

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[136/0140] dem wir Koͤrner ſuchen und Kraͤhen! Philo- ſophie des Jahrhunderts! „Wir haben keine Straſſenraͤuber, keine „Buͤrgerkriege, keine Unthaten mehr„ — aber wo? wie? und warum ſollten wir ſie ha- ben? Unſre Laͤnder ſind ſo wohl policirt, mit Landtraßen verhauen, mit Beſatzungen ver- propft, Aecker weislich vertheilt, die weiſe Juſtitz ſo wachſam — wo ſoll der arme Spitz- bube, wenn er auch Muth und Kraft zu dem rauhen Handwerke haͤtte, es treiben? warum es aber auch treiben? Er kann ja nach den Sitten unſers Jahrhunderts auf eine weit be- quemere, gar ehrwuͤrdige und glorreiche Weiſe Haus-Kammer- und Bettraͤuber werden — in dieſen Bedienungen vom Staate beſolder wer- den, — warum ſich nicht lieber beſolden laſ- ſen? Warum das unſichre Handwerk — zu dem er — und darauf kommts hinaus — weder Muth noch Kraft, noch Gelegenheit hat? Gna- de Gott eurer neuen, freywilligen Tugend! Haben wir „keine buͤrgerlichen Kriege,„ weil wir alle ſo zufriedene, allgeſaͤttigte, gluͤckliche Unterthanen ſind? Oder iſts nicht eben aus Ur- ſachen, die oft gerade das Gegentheil beglei- ten?

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/140>, abgerufen am 24.11.2024.