[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.Jünglinge äußere Triebfedern auf der andern Seite fehlen! denke zu welcher höhern Tu- gend du ihn erziehest, als zu der Lykurg und Plato erziehen konnten und durften! -- das schönste Zeitalter für die stille, verschwiegne, meist verkannte, aber so hohe, sich so weit verbreitende Tugend! Das dünkt mich also immer gewiß: je we- auf-
Juͤnglinge aͤußere Triebfedern auf der andern Seite fehlen! denke zu welcher hoͤhern Tu- gend du ihn erzieheſt, als zu der Lykurg und Plato erziehen konnten und durften! — das ſchoͤnſte Zeitalter fuͤr die ſtille, verſchwiegne, meiſt verkannte, aber ſo hohe, ſich ſo weit verbreitende Tugend! Das duͤnkt mich alſo immer gewiß: je we- auf-
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gewiſſen Seiten, je mehr dir und deinem
Juͤnglinge aͤußere Triebfedern auf der andern
Seite fehlen! denke zu welcher hoͤhern Tu-
gend du ihn erzieheſt, als zu der Lykurg und
Plato erziehen konnten und durften! —
das ſchoͤnſte Zeitalter fuͤr die ſtille, verſchwiegne,
meiſt verkannte, aber ſo hohe, ſich ſo weit
verbreitende Tugend!
Das duͤnkt mich alſo immer gewiß: je we-
niger es in unſerm Jahrhunderte geben mag,
ganz und groß Gute: je ſchwerer die hoͤchſte
Tugend uns werden muß, und je ſtiller, ver-
borgner ſie anitzt nur werden kann — wo
ſie iſt, um ſo hoͤhere, edlere vielleicht ein-
mal unendlich nuͤtzliche und folgenſchwangere
Tugend! Jndem wir uns meiſtens verlaſſen
und verlaͤugnen; koͤnnen manche unmittel-
bare Belohnungen nicht genießen, ſtreun das
Saamenkorn in die weite Welt hin, ohne zu
ſehen, wo es falle? wurzele? obs auch da nur
einmal zum Guten fruchte? Edler, ins Ver-
borgne und Allweite zu ſaͤen, ohne daß man
ſelbſt Ernte erwartet! und gewiß um ſo groͤſ-
ſer die allweite Ernte! dem wehenden Zephyr
vertraue den Saamen: um ſo weiter wird er
ihn fuͤhren, und wenn einmal alle die Keime
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