[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.auf eignen Kopf, oder das Haupt ihrer Kinder! Wenn unsre "Menschenregierung" auch all-
auf eignen Kopf, oder das Haupt ihrer Kinder! Wenn unſre „Menſchenregierung„ auch all-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0178" n="174"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> weißagen wie <hi rendition="#b">Kaiphas,</hi> aber freylich zuerſt<lb/> auf eignen Kopf, oder das Haupt ihrer Kinder!</p><lb/> <p>Wenn unſre <hi rendition="#b">„Menſchenregierung„</hi> auch<lb/> nichts mehr als <hi rendition="#b">ſchoͤne Huͤlle</hi> gewonnen haͤtte:<lb/><hi rendition="#b">den</hi> guten <hi rendition="#b">Schein</hi> und <hi rendition="#b">Anſchein,</hi> die <hi rendition="#b">Spra-<lb/> che, die Grundſaͤtze und Geſinnungen und<lb/> Ordnung,</hi> die jetzt jedes Buch, und jeder<lb/> junge Prinz, als ob er ein lebendiges Buch<lb/> waͤre, auf der Zunge fuͤhret — <hi rendition="#b">Großer<lb/> Fortgang.</hi> Verſuche jemand, <hi rendition="#b">Machiavell</hi><lb/> und <hi rendition="#b">Antimachiavell</hi> zuſammen zu leſen —<lb/> Philoſoph und Menſchenfreund wird den Letz-<lb/> ten <hi rendition="#b">verehren,</hi> ſeine <hi rendition="#b">unberuͤhrten</hi> mit Blumen<lb/> und gruͤnem Strauch <hi rendition="#b">bedeckte</hi> Moderſtellen,<lb/> und <hi rendition="#b">unſondirte Wunden,</hi> wo man nicht auf<lb/> den Grund kommen wollen und moͤgen, wil-<lb/> lig uͤberſehen und ſagen: welch ein <hi rendition="#b">Buch!</hi><lb/> welch ein <hi rendition="#b">Prinz,</hi> der wie das Buch daͤchte!<lb/> Nur <hi rendition="#b">eingeſtuͤnde, anerkennte, wuͤßte,</hi> in<lb/><hi rendition="#b">beylaͤufigen</hi> Geſinnungen <hi rendition="#b">handelte,</hi> fuͤr Welt<lb/> und Nachwelt welch ein Prinz! Statt grober,<lb/> unmenſchlich grauſamer <hi rendition="#b">Tollheit</hi> koͤnnten frey-<lb/> lich Krankheiten herrſchen, die <hi rendition="#b">eben ſo druͤ-<lb/> ckend</hi> und <hi rendition="#b">ſchaͤdlicher</hi> ſind, weil ſie <hi rendition="#b">ſchleichen;<lb/> geprieſen</hi> und nicht <hi rendition="#b">erkannt</hi> werden, und bis<lb/><hi rendition="#b">Mark</hi> und <hi rendition="#b">Bein in die Seele freſſen.</hi> Das<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#b">all-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0178]
weißagen wie Kaiphas, aber freylich zuerſt
auf eignen Kopf, oder das Haupt ihrer Kinder!
Wenn unſre „Menſchenregierung„ auch
nichts mehr als ſchoͤne Huͤlle gewonnen haͤtte:
den guten Schein und Anſchein, die Spra-
che, die Grundſaͤtze und Geſinnungen und
Ordnung, die jetzt jedes Buch, und jeder
junge Prinz, als ob er ein lebendiges Buch
waͤre, auf der Zunge fuͤhret — Großer
Fortgang. Verſuche jemand, Machiavell
und Antimachiavell zuſammen zu leſen —
Philoſoph und Menſchenfreund wird den Letz-
ten verehren, ſeine unberuͤhrten mit Blumen
und gruͤnem Strauch bedeckte Moderſtellen,
und unſondirte Wunden, wo man nicht auf
den Grund kommen wollen und moͤgen, wil-
lig uͤberſehen und ſagen: welch ein Buch!
welch ein Prinz, der wie das Buch daͤchte!
Nur eingeſtuͤnde, anerkennte, wuͤßte, in
beylaͤufigen Geſinnungen handelte, fuͤr Welt
und Nachwelt welch ein Prinz! Statt grober,
unmenſchlich grauſamer Tollheit koͤnnten frey-
lich Krankheiten herrſchen, die eben ſo druͤ-
ckend und ſchaͤdlicher ſind, weil ſie ſchleichen;
geprieſen und nicht erkannt werden, und bis
Mark und Bein in die Seele freſſen. Das
all-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |