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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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Ausgelassenheit zu denken, wenns nur mit
gewissen Konvenientien des Wohlstands ge-
schieht, (der wahre Wohlstand darf um so fer-
ner seyn!) auch selbst auf diesem giftigen aus-
schweifenden
Baume sprossen gute Früchte!
Glaubt ihr nicht, daß dieser Sinn und Unsinn,
den man jetzt gegen die Religion so ungescheuet
saget, einst vortrefliche Würkungen haben wer-
de? Von Erläuterungen, Rechtfertigungen
und Beweisen der Religion abstrahirt, die oft
nicht viel beweisen, ich weiß nicht welcher gros-
se Mann ein nächstes Jahrhundert des Aber-
glaubens
prophezeihte, weil das unsre sich in
so dummen Unglauben erschöpfte. -- Aber
wies auch laufe, (und es wäre schlimm, wenn
nur Aberglaube wieder den Unglauben ab-
wechseln könnte, und der ewige elende Kreis-
lauf nicht weiter brächte!) Religion Ver-
nunft
und Tugend müssen durch die tollesten
Angriffe ihrer Gegner unfehlbar einmal gewin-
nen!
-- Der Witz, die Philosophie, die Frey-
heit zu denken,
war gewiß zu diesem neuen
Throne nur wider Wissen und Willen gerüst:
Plötzlich einmal die Wolke zertheilet, und
wenn sie denn dastehn, wird in voller Glorie
die alleuchtende Sonne der Welt. --

Auch


Ausgelaſſenheit zu denken, wenns nur mit
gewiſſen Konvenientien des Wohlſtands ge-
ſchieht, (der wahre Wohlſtand darf um ſo fer-
ner ſeyn!) auch ſelbſt auf dieſem giftigen aus-
ſchweifenden
Baume ſproſſen gute Fruͤchte!
Glaubt ihr nicht, daß dieſer Sinn und Unſinn,
den man jetzt gegen die Religion ſo ungeſcheuet
ſaget, einſt vortrefliche Wuͤrkungen haben wer-
de? Von Erlaͤuterungen, Rechtfertigungen
und Beweiſen der Religion abſtrahirt, die oft
nicht viel beweiſen, ich weiß nicht welcher groſ-
ſe Mann ein naͤchſtes Jahrhundert des Aber-
glaubens
prophezeihte, weil das unſre ſich in
ſo dummen Unglauben erſchoͤpfte. — Aber
wies auch laufe, (und es waͤre ſchlimm, wenn
nur Aberglaube wieder den Unglauben ab-
wechſeln koͤnnte, und der ewige elende Kreis-
lauf nicht weiter braͤchte!) Religion Ver-
nunft
und Tugend muͤſſen durch die tolleſten
Angriffe ihrer Gegner unfehlbar einmal gewin-
nen!
— Der Witz, die Philoſophie, die Frey-
heit zu denken,
war gewiß zu dieſem neuen
Throne nur wider Wiſſen und Willen geruͤſt:
Ploͤtzlich einmal die Wolke zertheilet, und
wenn ſie denn daſtehn, wird in voller Glorie
die alleuchtende Sonne der Welt. —

Auch
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[176/0180] Ausgelaſſenheit zu denken, wenns nur mit gewiſſen Konvenientien des Wohlſtands ge- ſchieht, (der wahre Wohlſtand darf um ſo fer- ner ſeyn!) auch ſelbſt auf dieſem giftigen aus- ſchweifenden Baume ſproſſen gute Fruͤchte! Glaubt ihr nicht, daß dieſer Sinn und Unſinn, den man jetzt gegen die Religion ſo ungeſcheuet ſaget, einſt vortrefliche Wuͤrkungen haben wer- de? Von Erlaͤuterungen, Rechtfertigungen und Beweiſen der Religion abſtrahirt, die oft nicht viel beweiſen, ich weiß nicht welcher groſ- ſe Mann ein naͤchſtes Jahrhundert des Aber- glaubens prophezeihte, weil das unſre ſich in ſo dummen Unglauben erſchoͤpfte. — Aber wies auch laufe, (und es waͤre ſchlimm, wenn nur Aberglaube wieder den Unglauben ab- wechſeln koͤnnte, und der ewige elende Kreis- lauf nicht weiter braͤchte!) Religion Ver- nunft und Tugend muͤſſen durch die tolleſten Angriffe ihrer Gegner unfehlbar einmal gewin- nen! — Der Witz, die Philoſophie, die Frey- heit zu denken, war gewiß zu dieſem neuen Throne nur wider Wiſſen und Willen geruͤſt: Ploͤtzlich einmal die Wolke zertheilet, und wenn ſie denn daſtehn, wird in voller Glorie die alleuchtende Sonne der Welt. — Auch

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/180>, abgerufen am 21.11.2024.