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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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Verwunderung zur hellen Jdee des Wahren
und Schönen; nur durch Ergebung und Ge-
horsam
zum ersten Besitz des Guten -- so
gewiß auch das menschliche Geschlecht. Hast
du je einem Kinde aus der philosophischen
Grammatik
Sprache beygebracht? aus der
abgezogensten Theorie der Bewegung es gehn
gelernt? hat ihm die leichteste oder schwereste
Pflicht aus einer Demonstration der Sitten-
lehre
begreiflich gemacht werden müssen? und
dürfen? und können? Gottlob eben! daß sies
nicht dürfen und können! Diese zarte Natur,
unwissend und dadurch auf alles begierig,
leichtgläubig und damit alles Eindrucks fä-
hig, zutrauendfolgsam,
und damit geneigt,
auf alles Gute geführt zu werden, alles mit
Einbildung, Staunen, Bewundrung erfassend,
aber eben damit auch alles um so vester und
wunderbarer sich zueignend -- "Glaube,
"Liebe
und Hofnung in seinem zarten Herzen,
"die einzigen Saamenkörner aller Kennt-
"nisse, Neigungen
und Glückseligkeit" --
tadelst du die Schöpfung Gottes? oder siehst
du nicht in jedem deiner so genannten Fehler
Vehikulum, einziges Vehikulum alles Gu-
ten?
Wie thöricht wenn du diese Unwissen-
heit und Bewundrung, diese Einbildung und

Ehr-
B



Verwunderung zur hellen Jdee des Wahren
und Schoͤnen; nur durch Ergebung und Ge-
horſam
zum erſten Beſitz des Guten — ſo
gewiß auch das menſchliche Geſchlecht. Haſt
du je einem Kinde aus der philoſophiſchen
Grammatik
Sprache beygebracht? aus der
abgezogenſten Theorie der Bewegung es gehn
gelernt? hat ihm die leichteſte oder ſchwereſte
Pflicht aus einer Demonſtration der Sitten-
lehre
begreiflich gemacht werden muͤſſen? und
duͤrfen? und koͤnnen? Gottlob eben! daß ſies
nicht duͤrfen und koͤnnen! Dieſe zarte Natur,
unwiſſend und dadurch auf alles begierig,
leichtglaͤubig und damit alles Eindrucks faͤ-
hig, zutrauendfolgſam,
und damit geneigt,
auf alles Gute gefuͤhrt zu werden, alles mit
Einbildung, Staunen, Bewundrung erfaſſend,
aber eben damit auch alles um ſo veſter und
wunderbarer ſich zueignend — „Glaube,
„Liebe
und Hofnung in ſeinem zarten Herzen,
„die einzigen Saamenkoͤrner aller Kennt-
„niſſe, Neigungen
und Gluͤckſeligkeit„
tadelſt du die Schoͤpfung Gottes? oder ſiehſt
du nicht in jedem deiner ſo genannten Fehler
Vehikulum, einziges Vehikulum alles Gu-
ten?
Wie thoͤricht wenn du dieſe Unwiſſen-
heit und Bewundrung, dieſe Einbildung und

Ehr-
B
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[17/0021] Verwunderung zur hellen Jdee des Wahren und Schoͤnen; nur durch Ergebung und Ge- horſam zum erſten Beſitz des Guten — ſo gewiß auch das menſchliche Geſchlecht. Haſt du je einem Kinde aus der philoſophiſchen Grammatik Sprache beygebracht? aus der abgezogenſten Theorie der Bewegung es gehn gelernt? hat ihm die leichteſte oder ſchwereſte Pflicht aus einer Demonſtration der Sitten- lehre begreiflich gemacht werden muͤſſen? und duͤrfen? und koͤnnen? Gottlob eben! daß ſies nicht duͤrfen und koͤnnen! Dieſe zarte Natur, unwiſſend und dadurch auf alles begierig, leichtglaͤubig und damit alles Eindrucks faͤ- hig, zutrauendfolgſam, und damit geneigt, auf alles Gute gefuͤhrt zu werden, alles mit Einbildung, Staunen, Bewundrung erfaſſend, aber eben damit auch alles um ſo veſter und wunderbarer ſich zueignend — „Glaube, „Liebe und Hofnung in ſeinem zarten Herzen, „die einzigen Saamenkoͤrner aller Kennt- „niſſe, Neigungen und Gluͤckſeligkeit„ — tadelſt du die Schoͤpfung Gottes? oder ſiehſt du nicht in jedem deiner ſo genannten Fehler Vehikulum, einziges Vehikulum alles Gu- ten? Wie thoͤricht wenn du dieſe Unwiſſen- heit und Bewundrung, dieſe Einbildung und Ehr- B

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/21>, abgerufen am 21.11.2024.