[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.Stamm oder ein kolchisches Völkchen nichts wissen konnte. Die Welt wurde weiter: Menschengeschlechter verbundner und enger. Mit dem Handel eine Menge Künste entwi- ckelt, ein ganz neuer Kunsttrieb insonderheit, für Vortheil, Bequemlichkeit, Ueppigkeit und Pracht! Auf einmal stieg der Fleiß der Menschen von der schweren Pyramidenin- dustrie und dem Ackerfleiße in ein "niedliches kleinerer Beschäftigungen" hinunter. Statt jener unnützen, theillosen Obelisken wandte sich die Baukunst auf theilvolle, und in jedem Theil nutzbare Schiffe. Aus der stummen, stehenden Pyramide ward der wandelnde, sprechende Mast. Hinter der Bildnerey und Werkarbeit der Aegypter ins Große und Un- geheuer, spielte man jetzt so vortheilhaft mit Glas, mit zerstücktem, gezeichnetem Metall, Purpur und Leinwand, Geräthschaft vom Li- banon, Schmuck, Gefäßen, Zierrath -- man spielts fremden Nationen in die Hände -- welch andre Welt von Beschäftigung! von Zweck, Nutzen, Neigung, Seelenanwen- dung! Nun muste natürlich aus der schweren, geheimnißreichen Hieroglyphenschrift "leich- te, abgekürzte, bräuchliche Rechen- und Buch-
Stamm oder ein kolchiſches Voͤlkchen nichts wiſſen konnte. Die Welt wurde weiter: Menſchengeſchlechter verbundner und enger. Mit dem Handel eine Menge Kuͤnſte entwi- ckelt, ein ganz neuer Kunſttrieb inſonderheit, fuͤr Vortheil, Bequemlichkeit, Ueppigkeit und Pracht! Auf einmal ſtieg der Fleiß der Menſchen von der ſchweren Pyramidenin- duſtrie und dem Ackerfleiße in ein „niedliches kleinerer Beſchaͤftigungen„ hinunter. Statt jener unnuͤtzen, theilloſen Obelisken wandte ſich die Baukunſt auf theilvolle, und in jedem Theil nutzbare Schiffe. Aus der ſtummen, ſtehenden Pyramide ward der wandelnde, ſprechende Maſt. Hinter der Bildnerey und Werkarbeit der Aegypter ins Große und Un- geheuer, ſpielte man jetzt ſo vortheilhaft mit Glas, mit zerſtuͤcktem, gezeichnetem Metall, Purpur und Leinwand, Geraͤthſchaft vom Li- banon, Schmuck, Gefaͤßen, Zierrath — man ſpielts fremden Nationen in die Haͤnde — welch andre Welt von Beſchaͤftigung! von Zweck, Nutzen, Neigung, Seelenanwen- dung! Nun muſte natuͤrlich aus der ſchweren, geheimnißreichen Hieroglyphenſchrift „leich- te, abgekuͤrzte, braͤuchliche Rechen- und Buch-
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nun wohl ganz natuͤrlich ein eingeſchloßner
Stamm oder ein kolchiſches Voͤlkchen nichts
wiſſen konnte. Die Welt wurde weiter:
Menſchengeſchlechter verbundner und enger.
Mit dem Handel eine Menge Kuͤnſte entwi-
ckelt, ein ganz neuer Kunſttrieb inſonderheit,
fuͤr Vortheil, Bequemlichkeit, Ueppigkeit
und Pracht! Auf einmal ſtieg der Fleiß der
Menſchen von der ſchweren Pyramidenin-
duſtrie und dem Ackerfleiße in ein „niedliches
kleinerer Beſchaͤftigungen„ hinunter. Statt
jener unnuͤtzen, theilloſen Obelisken wandte
ſich die Baukunſt auf theilvolle, und in jedem
Theil nutzbare Schiffe. Aus der ſtummen,
ſtehenden Pyramide ward der wandelnde,
ſprechende Maſt. Hinter der Bildnerey und
Werkarbeit der Aegypter ins Große und Un-
geheuer, ſpielte man jetzt ſo vortheilhaft mit
Glas, mit zerſtuͤcktem, gezeichnetem Metall,
Purpur und Leinwand, Geraͤthſchaft vom Li-
banon, Schmuck, Gefaͤßen, Zierrath —
man ſpielts fremden Nationen in die Haͤnde —
welch andre Welt von Beſchaͤftigung! von
Zweck, Nutzen, Neigung, Seelenanwen-
dung! Nun muſte natuͤrlich aus der ſchweren,
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