[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.wohner des Schiffs und der Küste, der expa- triirte Seestreicher und Völkerkäufer dem Bewohner des Zelts und der Ackerhütte ein ganz anderes Geschöpf dünken: der Morgen- länder muste ihm vorwerfen können, daß er Menschliches, der Aegypter, daß er Vater- landsgefühl geschwächt, jener, daß er Liebe und Leben, dieser, daß er Treue und Fleiß ver- lohren: jener, daß er vom heiligen Gefühl der Religion nichts wisse, dieser, daß er das Geheime der Wissenschaften, wenigstens in Resten auf seine Handelsmärkte zur Schau getragen." Alles wahr. Nur entwickelte sich dagegen auch etwas ganz anderes, (was ich zwar keinesweges mit jenem zu vergleichen willens bin: denn ich mag gar nicht verglei- chen!) phönicische Regsamkeit und Klugheit, eine neue Art Bequemlichkeit und Wohlle- ben, der Uebergang zum griechischen Ge- schmack, und eine Art Völkerkunde der Ueber- gang zur griechischen Freyheit. Aegypter und Phönicier waren also bey allem Kon- traste der Denkart, Zwillinge einer Mutter des Morgenlands, die nachher gemeinschaftlich Griechenland und so die Welt weiter hinaus bildeten. Also beyde Werkzeuge der Fort- leitung
wohner des Schiffs und der Kuͤſte, der expa- triirte Seeſtreicher und Voͤlkerkaͤufer dem Bewohner des Zelts und der Ackerhuͤtte ein ganz anderes Geſchoͤpf duͤnken: der Morgen- laͤnder muſte ihm vorwerfen koͤnnen, daß er Menſchliches, der Aegypter, daß er Vater- landsgefuͤhl geſchwaͤcht, jener, daß er Liebe und Leben, dieſer, daß er Treue und Fleiß ver- lohren: jener, daß er vom heiligen Gefuͤhl der Religion nichts wiſſe, dieſer, daß er das Geheime der Wiſſenſchaften, wenigſtens in Reſten auf ſeine Handelsmaͤrkte zur Schau getragen.„ Alles wahr. Nur entwickelte ſich dagegen auch etwas ganz anderes, (was ich zwar keinesweges mit jenem zu vergleichen willens bin: denn ich mag gar nicht verglei- chen!) phoͤniciſche Regſamkeit und Klugheit, eine neue Art Bequemlichkeit und Wohlle- ben, der Uebergang zum griechiſchen Ge- ſchmack, und eine Art Voͤlkerkunde der Ueber- gang zur griechiſchen Freyheit. Aegypter und Phoͤnicier waren alſo bey allem Kon- traſte der Denkart, Zwillinge einer Mutter des Morgenlands, die nachher gemeinſchaftlich Griechenland und ſo die Welt weiter hinaus bildeten. Alſo beyde Werkzeuge der Fort- leitung
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Buchſtabenkunſt werden: nun muſte der Be-
wohner des Schiffs und der Kuͤſte, der expa-
triirte Seeſtreicher und Voͤlkerkaͤufer dem
Bewohner des Zelts und der Ackerhuͤtte ein
ganz anderes Geſchoͤpf duͤnken: der Morgen-
laͤnder muſte ihm vorwerfen koͤnnen, daß er
Menſchliches, der Aegypter, daß er Vater-
landsgefuͤhl geſchwaͤcht, jener, daß er Liebe
und Leben, dieſer, daß er Treue und Fleiß ver-
lohren: jener, daß er vom heiligen Gefuͤhl
der Religion nichts wiſſe, dieſer, daß er das
Geheime der Wiſſenſchaften, wenigſtens in
Reſten auf ſeine Handelsmaͤrkte zur Schau
getragen.„ Alles wahr. Nur entwickelte ſich
dagegen auch etwas ganz anderes, (was ich
zwar keinesweges mit jenem zu vergleichen
willens bin: denn ich mag gar nicht verglei-
chen!) phoͤniciſche Regſamkeit und Klugheit,
eine neue Art Bequemlichkeit und Wohlle-
ben, der Uebergang zum griechiſchen Ge-
ſchmack, und eine Art Voͤlkerkunde der Ueber-
gang zur griechiſchen Freyheit. Aegypter
und Phoͤnicier waren alſo bey allem Kon-
traſte der Denkart, Zwillinge einer Mutter des
Morgenlands, die nachher gemeinſchaftlich
Griechenland und ſo die Welt weiter hinaus
bildeten. Alſo beyde Werkzeuge der Fort-
leitung
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