[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.Gut hat auch hier die gute Mutter gesorgt. zu D 5
Gut hat auch hier die gute Mutter geſorgt. zu D 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0061" n="57"/> <fw place="top" type="header"> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </fw> <p>Gut hat auch hier die gute Mutter geſorgt.<lb/> Sie legte Anlagen zu der <hi rendition="#b">Mannichfaltigkeit</hi><lb/> ins Herz, machte jede aber an ſich ſelbſt ſo<lb/> wenig <hi rendition="#b">dringend,</hi> daß wenn nur einige befrie-<lb/> digt werden, ſich die Seele bald aus dieſen<lb/> erweckten Toͤnen <hi rendition="#b">ein Koncert</hi> bildet, und die<lb/> unerweckten nicht fuͤhlet, als wiefern ſie<lb/><hi rendition="#b">ſtumm</hi> und dunkel, den lautenden Geſang<lb/><hi rendition="#b">unterſtuͤtzen.</hi> Sie legte Anlagen von <hi rendition="#b">Man-<lb/> nichfaltigkeit</hi> ins Herz, nun <hi rendition="#b">einen Theil</hi> der<lb/> Mannichfaltigkeit im Kreiſe um uns, uns zu<lb/> Haͤnden: nun <hi rendition="#b">maͤßigte</hi> ſie den menſchlichen<lb/><hi rendition="#b">Blick,</hi> daß nach einer kleinen Zeit der Ge-<lb/> wohnheit ihm dieſer Kreis, <hi rendition="#b">Horizont wurde.</hi><lb/> Nicht <hi rendition="#b">druͤber zu blicken:</hi> kaum druͤber zu <hi rendition="#b">ahn-<lb/> den!</hi> alles was mit meiner Natur noch <hi rendition="#b">gleich-<lb/> artig</hi> iſt, was in ſie <hi rendition="#b">aßimilirt</hi> werden kann,<lb/> beneide ich, ſtrebs an, mache mirs zu eigen;<lb/><hi rendition="#b">daruͤber hinaus</hi> hat mich die guͤtige Natur mit<lb/><hi rendition="#b">Fuͤhlloſigkeit, Kaͤlte</hi> und <hi rendition="#b">Blindheit</hi> bewaf-<lb/> net; — ſie kann gar <hi rendition="#b">Verachtung</hi> und <hi rendition="#b">Eckel</hi><lb/> werden — hat aber nur zum Zweck, mich <hi rendition="#b">auf<lb/> mich ſelbſt</hi> zuruͤckzuſtoßen, mir auf <hi rendition="#b">dem Mit-<lb/> telpunkt</hi> Gnuͤge zu geben, der mich traͤgt.<lb/> Der Grieche macht ſich ſo viel vom Aegypter,<lb/> der Roͤmer vom Griechen zu eigen, als er fuͤr<lb/> ſich braucht: er iſt <hi rendition="#b">geſaͤttigt,</hi> das uͤbrige <hi rendition="#b">faͤllt</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 5</fw><fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0061]
Gut hat auch hier die gute Mutter geſorgt.
Sie legte Anlagen zu der Mannichfaltigkeit
ins Herz, machte jede aber an ſich ſelbſt ſo
wenig dringend, daß wenn nur einige befrie-
digt werden, ſich die Seele bald aus dieſen
erweckten Toͤnen ein Koncert bildet, und die
unerweckten nicht fuͤhlet, als wiefern ſie
ſtumm und dunkel, den lautenden Geſang
unterſtuͤtzen. Sie legte Anlagen von Man-
nichfaltigkeit ins Herz, nun einen Theil der
Mannichfaltigkeit im Kreiſe um uns, uns zu
Haͤnden: nun maͤßigte ſie den menſchlichen
Blick, daß nach einer kleinen Zeit der Ge-
wohnheit ihm dieſer Kreis, Horizont wurde.
Nicht druͤber zu blicken: kaum druͤber zu ahn-
den! alles was mit meiner Natur noch gleich-
artig iſt, was in ſie aßimilirt werden kann,
beneide ich, ſtrebs an, mache mirs zu eigen;
daruͤber hinaus hat mich die guͤtige Natur mit
Fuͤhlloſigkeit, Kaͤlte und Blindheit bewaf-
net; — ſie kann gar Verachtung und Eckel
werden — hat aber nur zum Zweck, mich auf
mich ſelbſt zuruͤckzuſtoßen, mir auf dem Mit-
telpunkt Gnuͤge zu geben, der mich traͤgt.
Der Grieche macht ſich ſo viel vom Aegypter,
der Roͤmer vom Griechen zu eigen, als er fuͤr
ſich braucht: er iſt geſaͤttigt, das uͤbrige faͤllt
zu
D 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |