[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.ben will -- in unserm Jahrhunderte ist leider! so viel Licht! -- Unwahrheit wenn man die damalige Zeit in ihrem Wesen und Zwecken, Genuß und Sitten, insonderheit als Werk- zeug im Zeitlaufe betrachtet. Da lag in die- sen dem Scheine nach gewaltsamen Auftrit- ten und Verbindungen oft ein Festes, Binden- des, Edles und Großherrliches, das wir mit unsern Gottlob! feinen Sitten, aufgelösten Zünften und dafür gebundnen Ländern, und angebohrner Klugheit und Völkerliebe bis ans Ende der Erde, fürwahr weder fühlen noch kaum mehr fühlen können. Siehe, du spot- test über die damalige Knechtschaft, über die rohen Landsitze des Adels, über die vielen kleinen Jnseln und Unterabtheilungen, und was davon abhing -- preisest nichts so sehr, als die Auflösung dieser Bande, und weißt kein grösseres Gut, was je der Menschheit gesche- hen, als da Europa und mit ihm die Welt frey wurde. Frey wurde? süsser Träumer! wenns nur das, und das nur wahr wäre! Aber nun siehe auch, wie durch den Zustand in jenen Zeiten Dinge ausgerichtet wurden, über die sonst alle menschliche Klugheit hatte verblöden müssen: Europa bevölkert und ge- bauet:
ben will — in unſerm Jahrhunderte iſt leider! ſo viel Licht! — Unwahrheit wenn man die damalige Zeit in ihrem Weſen und Zwecken, Genuß und Sitten, inſonderheit als Werk- zeug im Zeitlaufe betrachtet. Da lag in die- ſen dem Scheine nach gewaltſamen Auftrit- ten und Verbindungen oft ein Feſtes, Binden- des, Edles und Großherrliches, das wir mit unſern Gottlob! feinen Sitten, aufgeloͤſten Zuͤnften und dafuͤr gebundnen Laͤndern, und angebohrner Klugheit und Voͤlkerliebe bis ans Ende der Erde, fuͤrwahr weder fuͤhlen noch kaum mehr fuͤhlen koͤnnen. Siehe, du ſpot- teſt uͤber die damalige Knechtſchaft, uͤber die rohen Landſitze des Adels, uͤber die vielen kleinen Jnſeln und Unterabtheilungen, und was davon abhing — preiſeſt nichts ſo ſehr, als die Aufloͤſung dieſer Bande, und weißt kein groͤſſeres Gut, was je der Menſchheit geſche- hen, als da Europa und mit ihm die Welt frey wurde. Frey wurde? ſuͤſſer Traͤumer! wenns nur das, und das nur wahr waͤre! Aber nun ſiehe auch, wie durch den Zuſtand in jenen Zeiten Dinge ausgerichtet wurden, uͤber die ſonſt alle menſchliche Klugheit hatte verbloͤden muͤſſen: Europa bevoͤlkert und ge- bauet:
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haͤlt, und ja ein helles, lichtes Bildchen ha-
ben will — in unſerm Jahrhunderte iſt leider!
ſo viel Licht! — Unwahrheit wenn man die
damalige Zeit in ihrem Weſen und Zwecken,
Genuß und Sitten, inſonderheit als Werk-
zeug im Zeitlaufe betrachtet. Da lag in die-
ſen dem Scheine nach gewaltſamen Auftrit-
ten und Verbindungen oft ein Feſtes, Binden-
des, Edles und Großherrliches, das wir mit
unſern Gottlob! feinen Sitten, aufgeloͤſten
Zuͤnften und dafuͤr gebundnen Laͤndern, und
angebohrner Klugheit und Voͤlkerliebe bis ans
Ende der Erde, fuͤrwahr weder fuͤhlen noch
kaum mehr fuͤhlen koͤnnen. Siehe, du ſpot-
teſt uͤber die damalige Knechtſchaft, uͤber die
rohen Landſitze des Adels, uͤber die vielen
kleinen Jnſeln und Unterabtheilungen, und
was davon abhing — preiſeſt nichts ſo ſehr,
als die Aufloͤſung dieſer Bande, und weißt kein
groͤſſeres Gut, was je der Menſchheit geſche-
hen, als da Europa und mit ihm die Welt
frey wurde. Frey wurde? ſuͤſſer Traͤumer!
wenns nur das, und das nur wahr waͤre!
Aber nun ſiehe auch, wie durch den Zuſtand
in jenen Zeiten Dinge ausgerichtet wurden,
uͤber die ſonſt alle menſchliche Klugheit hatte
verbloͤden muͤſſen: Europa bevoͤlkert und ge-
bauet:
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