[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.fürs non plus ultra der Menschheit hält, hat Gelegenheit ganze Jahrhunderte auf Barba- rey, elendes Staatsrecht, Aberglauben und Dummheit, Mangel der Sitten und Ab- geschmacktheit -- in Schulen, in Landsitzen, in Tempeln, in Klöstern, in Rathhäusern, in Handwerkszünften, in Hütten und Häu- sern zu schmälen und über das Licht unsers Jahrhunderts, das ist, über seinen Leichtsinn und Ausgelassenheit, über seine Wärme in Jdeen und Kälte in Handlungen, über seine scheinbare Stärke und Freyheit, und über seine würkliche Todesschwäche und Ermat- tung unter Unglauben, Despotismus und Uppigkeit zu lobjauchzen. Davon sind alle Bücher unserer Voltäre und Hume, Robert- sons und Jselins voll, und es wird ein so schön Gemälde, wie sie die Aufklärung und Verbesserung der Welt aus den trüben Zeiten zum Deismus und Despotismus der Seelen d. i. zu Philosophie und Ruhe herleiten -- daß dabey jedem Liebhaber seiner Zeit das Herz lacht. Alle das ist wahr und nicht wahr. Wahr, hält F
fuͤrs non plus ultra der Menſchheit haͤlt, hat Gelegenheit ganze Jahrhunderte auf Barba- rey, elendes Staatsrecht, Aberglauben und Dummheit, Mangel der Sitten und Ab- geſchmacktheit — in Schulen, in Landſitzen, in Tempeln, in Kloͤſtern, in Rathhaͤuſern, in Handwerkszuͤnften, in Huͤtten und Haͤu- ſern zu ſchmaͤlen und uͤber das Licht unſers Jahrhunderts, das iſt, uͤber ſeinen Leichtſinn und Ausgelaſſenheit, uͤber ſeine Waͤrme in Jdeen und Kaͤlte in Handlungen, uͤber ſeine ſcheinbare Staͤrke und Freyheit, und uͤber ſeine wuͤrkliche Todesſchwaͤche und Ermat- tung unter Unglauben, Deſpotismus und Uppigkeit zu lobjauchzen. Davon ſind alle Buͤcher unſerer Voltaͤre und Hume, Robert- ſons und Jſelins voll, und es wird ein ſo ſchoͤn Gemaͤlde, wie ſie die Aufklaͤrung und Verbeſſerung der Welt aus den truͤben Zeiten zum Deiſmus und Deſpotismus der Seelen d. i. zu Philoſophie und Ruhe herleiten — daß dabey jedem Liebhaber ſeiner Zeit das Herz lacht. Alle das iſt wahr und nicht wahr. Wahr, haͤlt F
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fuͤrs non plus ultra der Menſchheit haͤlt, hat
Gelegenheit ganze Jahrhunderte auf Barba-
rey, elendes Staatsrecht, Aberglauben und
Dummheit, Mangel der Sitten und Ab-
geſchmacktheit — in Schulen, in Landſitzen,
in Tempeln, in Kloͤſtern, in Rathhaͤuſern,
in Handwerkszuͤnften, in Huͤtten und Haͤu-
ſern zu ſchmaͤlen und uͤber das Licht unſers
Jahrhunderts, das iſt, uͤber ſeinen Leichtſinn
und Ausgelaſſenheit, uͤber ſeine Waͤrme in
Jdeen und Kaͤlte in Handlungen, uͤber ſeine
ſcheinbare Staͤrke und Freyheit, und uͤber
ſeine wuͤrkliche Todesſchwaͤche und Ermat-
tung unter Unglauben, Deſpotismus und
Uppigkeit zu lobjauchzen. Davon ſind alle
Buͤcher unſerer Voltaͤre und Hume, Robert-
ſons und Jſelins voll, und es wird ein ſo
ſchoͤn Gemaͤlde, wie ſie die Aufklaͤrung und
Verbeſſerung der Welt aus den truͤben Zeiten
zum Deiſmus und Deſpotismus der Seelen
d. i. zu Philoſophie und Ruhe herleiten —
daß dabey jedem Liebhaber ſeiner Zeit das
Herz lacht.
Alle das iſt wahr und nicht wahr. Wahr,
wenn man wie ein Kind, Farbe gegen Farbe
haͤlt
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