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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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lich auch der uralten Simplicität wegen, weil zu
dergleichen raffinirten System noch kein Sinn,
kein Raum war: und Pabstthum des alten Aegyp-
tens war wenigstens gewiß eine weit gröbe-
re
und plumpere Maschine. Solche Rgie-
rungsformen,
bey allem gothischen Geschmacke
hatten sie, doch kaum vorher noch exsistirt;
mit der Jdee von barbarischer Ordnung vom
Element herauf bis zum Gipfel, mit den
immer veränderten Versuchen alles zu bin-
den, daß es doch nicht gebunden wäre.
--
Der Zufall oder vielmehr roh und freywür-
kende Kraft erschöpfte sich in kleinen Formen
der grossen Form,
wie sie ein Politiker kaum
hätte ausdenken können: -- Chaos, wo alles
nach neuer höherer Schöpfung strebte, ohne
zu wissen, wie? und welcher Gestalt? -- Die
Werke des Geistes und des Genies aus diesen
Zeiten sind gleicher Art, ganz des zusammen-
gesetzten Duftes aller Zeiten voll: zu voll
von Schönheiten, von Feinheiten, von Er-
findung,
von Ordnung, als daß es Schön-
heit, Ordnung, Erfindung
bleibe -- sind,
wie die gothischen Gebäude! Und wenn sich
der Geist bis auf die kleinsten Einrichtungen
und Gebräuche erstreckt -- ists unrecht, wenn
in diesen Jahrhunderten noch immer Krone des

alten
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lich auch der uralten Simplicitaͤt wegen, weil zu
dergleichen raffinirten Syſtem noch kein Sinn,
kein Raum war: und Pabſtthum des alten Aegyp-
tens war wenigſtens gewiß eine weit groͤbe-
re
und plumpere Maſchine. Solche Rgie-
rungsformen,
bey allem gothiſchen Geſchmacke
hatten ſie, doch kaum vorher noch exſiſtirt;
mit der Jdee von barbariſcher Ordnung vom
Element herauf bis zum Gipfel, mit den
immer veraͤnderten Verſuchen alles zu bin-
den, daß es doch nicht gebunden waͤre.

Der Zufall oder vielmehr roh und freywuͤr-
kende Kraft erſchoͤpfte ſich in kleinen Formen
der groſſen Form,
wie ſie ein Politiker kaum
haͤtte ausdenken koͤnnen: — Chaos, wo alles
nach neuer hoͤherer Schoͤpfung ſtrebte, ohne
zu wiſſen, wie? und welcher Geſtalt? — Die
Werke des Geiſtes und des Genies aus dieſen
Zeiten ſind gleicher Art, ganz des zuſammen-
geſetzten Duftes aller Zeiten voll: zu voll
von Schoͤnheiten, von Feinheiten, von Er-
findung,
von Ordnung, als daß es Schoͤn-
heit, Ordnung, Erfindung
bleibe — ſind,
wie die gothiſchen Gebaͤude! Und wenn ſich
der Geiſt bis auf die kleinſten Einrichtungen
und Gebraͤuche erſtreckt — iſts unrecht, wenn
in dieſen Jahrhunderten noch immer Krone des

alten
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[89/0093] lich auch der uralten Simplicitaͤt wegen, weil zu dergleichen raffinirten Syſtem noch kein Sinn, kein Raum war: und Pabſtthum des alten Aegyp- tens war wenigſtens gewiß eine weit groͤbe- re und plumpere Maſchine. Solche Rgie- rungsformen, bey allem gothiſchen Geſchmacke hatten ſie, doch kaum vorher noch exſiſtirt; mit der Jdee von barbariſcher Ordnung vom Element herauf bis zum Gipfel, mit den immer veraͤnderten Verſuchen alles zu bin- den, daß es doch nicht gebunden waͤre. — Der Zufall oder vielmehr roh und freywuͤr- kende Kraft erſchoͤpfte ſich in kleinen Formen der groſſen Form, wie ſie ein Politiker kaum haͤtte ausdenken koͤnnen: — Chaos, wo alles nach neuer hoͤherer Schoͤpfung ſtrebte, ohne zu wiſſen, wie? und welcher Geſtalt? — Die Werke des Geiſtes und des Genies aus dieſen Zeiten ſind gleicher Art, ganz des zuſammen- geſetzten Duftes aller Zeiten voll: zu voll von Schoͤnheiten, von Feinheiten, von Er- findung, von Ordnung, als daß es Schoͤn- heit, Ordnung, Erfindung bleibe — ſind, wie die gothiſchen Gebaͤude! Und wenn ſich der Geiſt bis auf die kleinſten Einrichtungen und Gebraͤuche erſtreckt — iſts unrecht, wenn in dieſen Jahrhunderten noch immer Krone des alten F 5

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/93>, abgerufen am 24.11.2024.