[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.zur Seelenform eines Menschlichen Körpers hätte Jch weiß nicht, ob ich ein Wort wagen und gossen, G
zur Seelenform eines Menſchlichen Koͤrpers haͤtte Jch weiß nicht, ob ich ein Wort wagen und goſſen, G
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="97"/> zur Seelenform eines Menſchlichen Koͤrpers haͤtte<lb/> phantaſiren wollen. Kein Glied von Einem ihrer<lb/> Goͤtter kann einen andern Gott, keine Stellung<lb/> ihrer Handlung einen andern Charakter bedeuten,<lb/> als da ſteht. <hi rendition="#fr">Ein</hi> Geiſt hat ſich uͤber die Sta-<lb/> tue ergoßen, hielt die Hand des Kuͤnſtlers, daß<lb/> auch das Werk hielt, und Eins ward. Wer<lb/> (um ſo gleich ein Schwerſtes anzufuͤhren) wer je<lb/> am beruͤhmten Hermaphroditen ſtand und nicht<lb/> fuͤhlte, wie in jeder Schwingung und Biegung des<lb/> Koͤrpers, in allem, wo er beruͤhrt und nicht be-<lb/> ruͤhrt, bacchiſcher Traum und Hermaphroditiſ-<lb/> mus herrſchet, wie er auf einer Folter ſuͤßer Ge-<lb/> danken und Wolluſt ſchwebt, die ihm, wie ein<lb/> gelindes Feuer, durch ſeinen ganzen Koͤrper drin-<lb/> get — wer dies nicht fuͤhlte und in ſich gleichſam<lb/> unwillkuͤhrlich den Nach- oder Mitklang deſſel-<lb/> ben Saitenſpiels wahrnahm; dem koͤnnen meine<lb/> nicht und keine Worte es erklaͤren. Eben das iſt das<lb/> ſo ungemein <hi rendition="#fr">Sichere</hi> und <hi rendition="#fr">Veſte</hi> bei einer Bildſaͤu-<lb/> le, daß, weil ſie <hi rendition="#fr">Menſch</hi> und ganz <hi rendition="#fr">durchlebter<lb/> Koͤrper</hi> iſt, ſie <hi rendition="#fr">als That,</hi> zu uns ſpricht, uns<lb/> veſthaͤlt und durchdringend unſer Weſen, das<lb/> ganze Saitenſpiel Menſchlicher Mitempfindung<lb/> wecket.</p><lb/> <p>Jch weiß nicht, ob ich ein Wort wagen und<lb/> es <hi rendition="#fr">Statik</hi> oder <hi rendition="#fr">Dynamik</hi> nennen ſoll, was da<lb/> von <hi rendition="#fr">Menſchlicher</hi> Seele in den Kunſtkoͤrper <hi rendition="#fr">ge-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">G</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">goſſen,</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [97/0100]
zur Seelenform eines Menſchlichen Koͤrpers haͤtte
phantaſiren wollen. Kein Glied von Einem ihrer
Goͤtter kann einen andern Gott, keine Stellung
ihrer Handlung einen andern Charakter bedeuten,
als da ſteht. Ein Geiſt hat ſich uͤber die Sta-
tue ergoßen, hielt die Hand des Kuͤnſtlers, daß
auch das Werk hielt, und Eins ward. Wer
(um ſo gleich ein Schwerſtes anzufuͤhren) wer je
am beruͤhmten Hermaphroditen ſtand und nicht
fuͤhlte, wie in jeder Schwingung und Biegung des
Koͤrpers, in allem, wo er beruͤhrt und nicht be-
ruͤhrt, bacchiſcher Traum und Hermaphroditiſ-
mus herrſchet, wie er auf einer Folter ſuͤßer Ge-
danken und Wolluſt ſchwebt, die ihm, wie ein
gelindes Feuer, durch ſeinen ganzen Koͤrper drin-
get — wer dies nicht fuͤhlte und in ſich gleichſam
unwillkuͤhrlich den Nach- oder Mitklang deſſel-
ben Saitenſpiels wahrnahm; dem koͤnnen meine
nicht und keine Worte es erklaͤren. Eben das iſt das
ſo ungemein Sichere und Veſte bei einer Bildſaͤu-
le, daß, weil ſie Menſch und ganz durchlebter
Koͤrper iſt, ſie als That, zu uns ſpricht, uns
veſthaͤlt und durchdringend unſer Weſen, das
ganze Saitenſpiel Menſchlicher Mitempfindung
wecket.
Jch weiß nicht, ob ich ein Wort wagen und
es Statik oder Dynamik nennen ſoll, was da
von Menſchlicher Seele in den Kunſtkoͤrper ge-
goſſen,
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