[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.Unter der Stirn steht ihre schöne Grenze, die Das
Unter der Stirn ſteht ihre ſchoͤne Grenze, die Das
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Unter der Stirn ſteht ihre ſchoͤne Grenze, die
Augenbrane: ein Regenbogen des Friedes,
wenn ſie ſanft iſt, und der aufgeſpannte Bogen
der Zwietracht, wenn ſie dem Himmel uͤber ſich
Zorn und Wolken ſendet. Jn beidem Falle al-
ſo Verkuͤndigerin der Geſinnung und Bote
des Himmels zur Erde. Was vom Haar all-
gemein geſagt wurde, gilt von dieſem Faden der
Haare, ſie moͤgen Furie oder Grazie ſeyn, aus-
zeichnend. Hier wohnen gewiß Engel in jedem
friedlichen ſanften Haͤrchen; oder Flammen ſtei-
gen auf ihnen empor. Was an ihnen die Halb-
kugeln, die Jgelborſten, die Wirbel, die Grecq-
Figuren fuͤr Eindruck machen, kann wohl keine
Feder ſchreiben. Und wie ſchwimmt Gegen-
theils Auge und Hand ſo ſanft die linde friedliche
Augenbrane hinunter! ſie gleitet hinab, wie
der Kahn des Lebens in ſchoͤner Morgen- oder
Abendroͤthe. Jch weiß nicht, was fuͤr ein
Wink dem Verſtaͤndigen angenehmer, anziehen-
der ſeyn koͤnne, als hier ein ſcharfer, veſter und
doch ſanfter Winkel zwiſchen Stirn und Auge.
Er gibt dem Profil einen unausſprechlich intereſ-
ſanten Zug und iſt der Huͤgel, auf dem ſich Ge-
nien und Grazien ſonnen, um ſich in die Quel-
le des Schattenumkraͤnzten lieblichen Auges zu
tauchen.
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