[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.Ein Himmelsstrich ist, der dies Profil in Menge Die
Ein Himmelsſtrich iſt, der dies Profil in Menge Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0082" n="79"/> Ein Himmelsſtrich iſt, der dies Profil in Menge<lb/> bildet, und der Welſchen Vorwurf nicht ſo ganz<lb/> ohne Grund ſeyn mag, daß jenſeit der Alpen<lb/> die Schoͤnheit der Form erliege, ob ichs gleich,<lb/> wenn die Sache ſelbſt wahr waͤre, mehr auf<lb/><hi rendition="#fr">Stammcharakter</hi> des Volks als auf Einwuͤr-<lb/> kung des <hi rendition="#fr">Landes</hi> und <hi rendition="#fr">Clima</hi> gaͤbe: ſo halte ich<lb/> doch dafuͤr, daß es bei dem Kuͤnſtler nicht ohne<lb/> Veredlung dieſes Zuges abging, wieviel Anlage<lb/> derſelbe im Volk um ſich her hatte. Die Naſe<lb/> gibt dem ganzen Geſicht <hi rendition="#fr">Haltung</hi>, ſie iſt die<lb/> Linie der <hi rendition="#fr">Veſtigkeit</hi> und gleichſam das Scheide-<lb/> gebuͤrge an Thaͤlern zu beiden Seiten; die Kunſt<lb/> muſte alſo bald gewahr werden, daß mit ihr fuͤr<lb/> das Ganze Alles gewonnen oder verlohren ſei.<lb/> Und da erhub ſich denn das Profil, das noch<lb/> jetzt, nach jener Sprache des Hohenliedes, wie<lb/> ein Luſtbau ſtehet, der von der Hoͤhe Libanus<lb/> nach den ſchoͤnen Gegenden Damaskus ſchauet.<lb/> Nicht der mindeſte Theil dieſes unedlen Gliedes,<lb/> das <hi rendition="#fr">Wir</hi> kaum zu nennen wagen, iſt unbedeu-<lb/> tend. Die Wurzel der Naſe, ihr Ruͤcken, ihre<lb/> Spitze, ihr Knorpel, die Oeffnungen, dadurch<lb/> ſie Leben athmet, wie bedeutend fuͤr Geiſt und<lb/> Charakter! Nur iſt auch hier das Hinſchreiben<lb/> einzelner Zuͤge zu ſehr dem Mißbrauch und Miß-<lb/> verſtande unterworfen; deute ſich ſelbſt, wer will<lb/> und kann.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [79/0082]
Ein Himmelsſtrich iſt, der dies Profil in Menge
bildet, und der Welſchen Vorwurf nicht ſo ganz
ohne Grund ſeyn mag, daß jenſeit der Alpen
die Schoͤnheit der Form erliege, ob ichs gleich,
wenn die Sache ſelbſt wahr waͤre, mehr auf
Stammcharakter des Volks als auf Einwuͤr-
kung des Landes und Clima gaͤbe: ſo halte ich
doch dafuͤr, daß es bei dem Kuͤnſtler nicht ohne
Veredlung dieſes Zuges abging, wieviel Anlage
derſelbe im Volk um ſich her hatte. Die Naſe
gibt dem ganzen Geſicht Haltung, ſie iſt die
Linie der Veſtigkeit und gleichſam das Scheide-
gebuͤrge an Thaͤlern zu beiden Seiten; die Kunſt
muſte alſo bald gewahr werden, daß mit ihr fuͤr
das Ganze Alles gewonnen oder verlohren ſei.
Und da erhub ſich denn das Profil, das noch
jetzt, nach jener Sprache des Hohenliedes, wie
ein Luſtbau ſtehet, der von der Hoͤhe Libanus
nach den ſchoͤnen Gegenden Damaskus ſchauet.
Nicht der mindeſte Theil dieſes unedlen Gliedes,
das Wir kaum zu nennen wagen, iſt unbedeu-
tend. Die Wurzel der Naſe, ihr Ruͤcken, ihre
Spitze, ihr Knorpel, die Oeffnungen, dadurch
ſie Leben athmet, wie bedeutend fuͤr Geiſt und
Charakter! Nur iſt auch hier das Hinſchreiben
einzelner Zuͤge zu ſehr dem Mißbrauch und Miß-
verſtande unterworfen; deute ſich ſelbſt, wer will
und kann.
Die
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