Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
Anastasius Grün.

(Wien, 13. Februar 1840. Anastasius Grün befindet sich seit einigen
Tagen hier, um sich um den Kammerherrnschlüssel zu bewerben,
da seine Frau, geborne Gräfin Attems, Sternkreuzordensdame
wurde und doch nicht allein zu Hofe gehen kann. Der Graf soll
dem Poeten völlig entsagt haben. Leipz. Allg. Z.)

Ein heiß Gebet, befremdend wohl und neu,
Sei, Todesengel, heut' an Dich gerichtet:
Tritt in die Hütte, an die harte Streu,
In den Palast, und horch, wo Einer dichtet!
So lang er sich und seinem Schmerze treu,
Bei seinem schönsten Lied werd' er vernichtet!
Für tausend Tote will ich Thränen haben;
Doch Lebende lernt' ich noch nicht begraben!
Anaſtaſius Grün.

(Wien, 13. Februar 1840. Anaſtaſius Grün befindet ſich ſeit einigen
Tagen hier, um ſich um den Kammerherrnſchlüſſel zu bewerben,
da ſeine Frau, geborne Gräfin Attems, Sternkreuzordensdame
wurde und doch nicht allein zu Hofe gehen kann. Der Graf ſoll
dem Poeten völlig entſagt haben. Leipz. Allg. Z.)

Ein heiß Gebet, befremdend wohl und neu,
Sei, Todesengel, heut' an Dich gerichtet:
Tritt in die Hütte, an die harte Streu,
In den Palaſt, und horch, wo Einer dichtet!
So lang er ſich und ſeinem Schmerze treu,
Bei ſeinem ſchönſten Lied werd' er vernichtet!
Für tauſend Tote will ich Thränen haben;
Doch Lebende lernt' ich noch nicht begraben!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0092" n="[86]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b #g">Ana&#x017F;ta&#x017F;ius Grün.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>(Wien, 13. Februar 1840. Ana&#x017F;ta&#x017F;ius Grün befindet &#x017F;ich &#x017F;eit einigen<lb/>
Tagen hier, um &#x017F;ich um den Kammerherrn&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;el zu bewerben,<lb/>
da &#x017F;eine Frau, geborne Gräfin Attems, Sternkreuzordensdame<lb/>
wurde und doch nicht allein zu Hofe gehen kann. Der Graf &#x017F;oll<lb/>
dem Poeten völlig ent&#x017F;agt haben. Leipz. Allg. Z.)</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Ein heiß Gebet, befremdend wohl und neu,</l><lb/>
            <l>Sei, Todesengel, heut' an Dich gerichtet:</l><lb/>
            <l>Tritt in die Hütte, an die harte Streu,</l><lb/>
            <l>In den Pala&#x017F;t, und horch, wo Einer dichtet!</l><lb/>
            <l>So lang er &#x017F;ich und &#x017F;einem Schmerze treu,</l><lb/>
            <l>Bei &#x017F;einem &#x017F;chön&#x017F;ten Lied werd' er vernichtet!</l><lb/>
            <l>Für tau&#x017F;end Tote will ich Thränen haben;</l><lb/>
            <l>Doch Lebende lernt' ich noch nicht begraben!</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[86]/0092] Anaſtaſius Grün. (Wien, 13. Februar 1840. Anaſtaſius Grün befindet ſich ſeit einigen Tagen hier, um ſich um den Kammerherrnſchlüſſel zu bewerben, da ſeine Frau, geborne Gräfin Attems, Sternkreuzordensdame wurde und doch nicht allein zu Hofe gehen kann. Der Graf ſoll dem Poeten völlig entſagt haben. Leipz. Allg. Z.) Ein heiß Gebet, befremdend wohl und neu, Sei, Todesengel, heut' an Dich gerichtet: Tritt in die Hütte, an die harte Streu, In den Palaſt, und horch, wo Einer dichtet! So lang er ſich und ſeinem Schmerze treu, Bei ſeinem ſchönſten Lied werd' er vernichtet! Für tauſend Tote will ich Thränen haben; Doch Lebende lernt' ich noch nicht begraben!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/92
Zitationshilfe: [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. [86]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/92>, abgerufen am 22.12.2024.