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Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.

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Um den Entwurf vor dem Verdacht der Utopie zu schützen,
will ich auch sparsam sein mit malerischen Details der Schilderung.
Ich vermuthe ohnehin, dass gedankenloser Spott durch
Zerrbilder des von mir Entworfenen das Ganze zu entkräften
versuchen wird. Ein im Uebrigen gescheiter Jude, dem ich die
Sache vortrug, meinte: "das als wirklich dargestellte zukünftige
Detail sei das Merkmal der Utopie". Das ist falsch. Jeder
Finanzminister rechnet in seinem Staatsvoranschlage mit zukünftigen
Ziffern und nicht nur mit solchen, die er aus dem Durchschnitt
früherer Jahre oder aus anderen vergangenen und in
anderen Staaten vorkommenden Erträgen construirt, sondern
auch mit präcedenzlosen Ziffern, beispielsweise bei Einführung
einer neuen Steuer. Man muss nie ein Budget angesehen haben,
um das nicht zu wissen. Wird man darum einen Finanzgesetzentwurf
für eine Utopie halten, selbst wenn man weiss, dass
der Voranschlag nie ganz genau eingehalten werden kann?

Aber ich stelle noch härtere Zumuthungen an meine Leser.
Ich verlange von den Gebildeten, an die ich mich wende, ein
Umdenken und Umlernen mancher alten Vorstellung. Und gerade
den besten Juden, die sich um die Lösung der Judenfrage thätig
bemüht haben, muthe ich zu, ihre bisherigen Versuche als
verfehlt und unwirksam anzusehen.

In der Darstellung der Idee habe ich mit einer Gefahr
zu kämpfen. Wenn ich all' die in der Zukunft liegenden Dinge
zurückhaltend sage, wird es scheinen, als glaubte ich selbst nicht
an ihre Möglichkeit. Wenn ich dagegen die Verwirklichung vorbehaltlos
ankündige, wird Alles vielleicht wie ein Hirngespinst
aussehen.

Darum sage ich deutlich und fest: ich glaube an die Möglichkeit
der Ausführung, wenn ich mich auch nicht vermesse,
die endgiltige Form des Gedankens gefunden zu haben. Der
Judenstaat ist ein Weltbedürfniss, folglich wird er entstehen.

Von irgend einem Einzelnen betrieben, wäre es eine recht
verrückte Geschichte - aber wenn viele Juden gleichzeitig
darauf eingehen, ist es vollkommen vernünftig, und die Durchführung
bietet keine nennenswerthen Schwierigkeiten. Die Idee
hängt nur von der Zahl ihrer Anhänger ab. Vielleicht werden


Um den Entwurf vor dem Verdacht der Utopie zu schützen,
will ich auch sparsam sein mit malerischen Details der Schilderung.
Ich vermuthe ohnehin, dass gedankenloser Spott durch
Zerrbilder des von mir Entworfenen das Ganze zu entkräften
versuchen wird. Ein im Uebrigen gescheiter Jude, dem ich die
Sache vortrug, meinte: „das als wirklich dargestellte zukünftige
Detail sei das Merkmal der Utopie“. Das ist falsch. Jeder
Finanzminister rechnet in seinem Staatsvoranschlage mit zukünftigen
Ziffern und nicht nur mit solchen, die er aus dem Durchschnitt
früherer Jahre oder aus anderen vergangenen und in
anderen Staaten vorkommenden Erträgen construirt, sondern
auch mit präcedenzlosen Ziffern, beispielsweise bei Einführung
einer neuen Steuer. Man muss nie ein Budget angesehen haben,
um das nicht zu wissen. Wird man darum einen Finanzgesetzentwurf
für eine Utopie halten, selbst wenn man weiss, dass
der Voranschlag nie ganz genau eingehalten werden kann?

Aber ich stelle noch härtere Zumuthungen an meine Leser.
Ich verlange von den Gebildeten, an die ich mich wende, ein
Umdenken und Umlernen mancher alten Vorstellung. Und gerade
den besten Juden, die sich um die Lösung der Judenfrage thätig
bemüht haben, muthe ich zu, ihre bisherigen Versuche als
verfehlt und unwirksam anzusehen.

In der Darstellung der Idee habe ich mit einer Gefahr
zu kämpfen. Wenn ich all' die in der Zukunft liegenden Dinge
zurückhaltend sage, wird es scheinen, als glaubte ich selbst nicht
an ihre Möglichkeit. Wenn ich dagegen die Verwirklichung vorbehaltlos
ankündige, wird Alles vielleicht wie ein Hirngespinst
aussehen.

Darum sage ich deutlich und fest: ich glaube an die Möglichkeit
der Ausführung, wenn ich mich auch nicht vermesse,
die endgiltige Form des Gedankens gefunden zu haben. Der
Judenstaat ist ein Weltbedürfniss, folglich wird er entstehen.

Von irgend einem Einzelnen betrieben, wäre es eine recht
verrückte Geschichte – aber wenn viele Juden gleichzeitig
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Zitationshilfe: Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/5>, abgerufen am 21.11.2024.