Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.bendinge erkennt das unglückliche Weib die Züge, den Blick ihres Gatten, und mit dem Zetergeschrei "Williams! Williams!" stürzt sie ohnmächtig zu Boden. Der Vorfall wird von Hunderten gesehen. -- Was ist das? heißt es, haltet den Schelm; faßt den grauen John! Er ist ein Betrüger. Er hat die Frau gemordet. -- Alle Umstehenden stürzen auf den Verkleideten los, aber er macht sich, mit Riesenkraft seinen schmutzigen Besen schwingend, Raum und stürzt davon. Hundert Gassenbuben ihm nach. Er wirft die Obstkörbe der Verkäuferin im Vorbeifliegen um, entledigt sich so dieser Verfolgung, da die lüsternen kleinen Schelme gierig über die umherrollenden Früchte herfallen, welche die Eigenthümerin unter tausend Flüchen vertheidigt, und während diese komische Scene die allgemeine Aufmerksamkeit, einen Augenblick nur, von ihm abzieht, ist er in eben diesem Augenblicke spurlos verschwunden. Betty wird aufgehoben und in ein benachbartes Haus getragen. Dort von gütigen Theilnehmenden empfangen und durch ärztliche Hülfe zu sich selbst gebracht, hat sie keinen Gedanken mehr, als ihr grenzenloses Unglück. Man ahnt zum Glücke nichts von ihrer eigentlichen Beziehung zum grauen John, und sie hat so viele Geistesgegenwart, sich nicht zu verrathen. Sie will nach ihrem Dorfe gebracht sein, und man schafft ihr einen Wagen. In ihrem Hause angekommen, hat sie, selbst für ihre Eltern, nur Seufzer und bendinge erkennt das unglückliche Weib die Züge, den Blick ihres Gatten, und mit dem Zetergeschrei „Williams! Williams!“ stürzt sie ohnmächtig zu Boden. Der Vorfall wird von Hunderten gesehen. — Was ist das? heißt es, haltet den Schelm; faßt den grauen John! Er ist ein Betrüger. Er hat die Frau gemordet. — Alle Umstehenden stürzen auf den Verkleideten los, aber er macht sich, mit Riesenkraft seinen schmutzigen Besen schwingend, Raum und stürzt davon. Hundert Gassenbuben ihm nach. Er wirft die Obstkörbe der Verkäuferin im Vorbeifliegen um, entledigt sich so dieser Verfolgung, da die lüsternen kleinen Schelme gierig über die umherrollenden Früchte herfallen, welche die Eigenthümerin unter tausend Flüchen vertheidigt, und während diese komische Scene die allgemeine Aufmerksamkeit, einen Augenblick nur, von ihm abzieht, ist er in eben diesem Augenblicke spurlos verschwunden. Betty wird aufgehoben und in ein benachbartes Haus getragen. Dort von gütigen Theilnehmenden empfangen und durch ärztliche Hülfe zu sich selbst gebracht, hat sie keinen Gedanken mehr, als ihr grenzenloses Unglück. Man ahnt zum Glücke nichts von ihrer eigentlichen Beziehung zum grauen John, und sie hat so viele Geistesgegenwart, sich nicht zu verrathen. Sie will nach ihrem Dorfe gebracht sein, und man schafft ihr einen Wagen. In ihrem Hause angekommen, hat sie, selbst für ihre Eltern, nur Seufzer und <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0055"/> bendinge erkennt das unglückliche Weib die Züge, den Blick ihres Gatten, und mit dem Zetergeschrei „Williams! Williams!“ stürzt sie ohnmächtig zu Boden.</p><lb/> <p>Der Vorfall wird von Hunderten gesehen. — Was ist das? heißt es, haltet den Schelm; faßt den grauen John! Er ist ein Betrüger. Er hat die Frau gemordet. — Alle Umstehenden stürzen auf den Verkleideten los, aber er macht sich, mit Riesenkraft seinen schmutzigen Besen schwingend, Raum und stürzt davon. Hundert Gassenbuben ihm nach. Er wirft die Obstkörbe der Verkäuferin im Vorbeifliegen um, entledigt sich so dieser Verfolgung, da die lüsternen kleinen Schelme gierig über die umherrollenden Früchte herfallen, welche die Eigenthümerin unter tausend Flüchen vertheidigt, und während diese komische Scene die allgemeine Aufmerksamkeit, einen Augenblick nur, von ihm abzieht, ist er in eben diesem Augenblicke spurlos verschwunden.</p><lb/> <p>Betty wird aufgehoben und in ein benachbartes Haus getragen. Dort von gütigen Theilnehmenden empfangen und durch ärztliche Hülfe zu sich selbst gebracht, hat sie keinen Gedanken mehr, als ihr grenzenloses Unglück. Man ahnt zum Glücke nichts von ihrer eigentlichen Beziehung zum grauen John, und sie hat so viele Geistesgegenwart, sich nicht zu verrathen. Sie will nach ihrem Dorfe gebracht sein, und man schafft ihr einen Wagen. In ihrem Hause angekommen, hat sie, selbst für ihre Eltern, nur Seufzer und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
bendinge erkennt das unglückliche Weib die Züge, den Blick ihres Gatten, und mit dem Zetergeschrei „Williams! Williams!“ stürzt sie ohnmächtig zu Boden.
Der Vorfall wird von Hunderten gesehen. — Was ist das? heißt es, haltet den Schelm; faßt den grauen John! Er ist ein Betrüger. Er hat die Frau gemordet. — Alle Umstehenden stürzen auf den Verkleideten los, aber er macht sich, mit Riesenkraft seinen schmutzigen Besen schwingend, Raum und stürzt davon. Hundert Gassenbuben ihm nach. Er wirft die Obstkörbe der Verkäuferin im Vorbeifliegen um, entledigt sich so dieser Verfolgung, da die lüsternen kleinen Schelme gierig über die umherrollenden Früchte herfallen, welche die Eigenthümerin unter tausend Flüchen vertheidigt, und während diese komische Scene die allgemeine Aufmerksamkeit, einen Augenblick nur, von ihm abzieht, ist er in eben diesem Augenblicke spurlos verschwunden.
Betty wird aufgehoben und in ein benachbartes Haus getragen. Dort von gütigen Theilnehmenden empfangen und durch ärztliche Hülfe zu sich selbst gebracht, hat sie keinen Gedanken mehr, als ihr grenzenloses Unglück. Man ahnt zum Glücke nichts von ihrer eigentlichen Beziehung zum grauen John, und sie hat so viele Geistesgegenwart, sich nicht zu verrathen. Sie will nach ihrem Dorfe gebracht sein, und man schafft ihr einen Wagen. In ihrem Hause angekommen, hat sie, selbst für ihre Eltern, nur Seufzer und
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