Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Thränen. Man dringt vergebens in sie, dasjenige, welches sich begeben, bekannt zu machen. Sie glaubt nun annehmen zu dürfen, Williams' Geheimniß sei eine hohe, räthselhafte Sonderbarkeit gewesen, aber kein Verbrechen, und will, was sie gesehen, ewig verschweigen, in der -- freilich schwachen, -- Hoffnung, Williams werde wiederkehren, ihre Reue sehen, ihr vergeben und nicht mehr von ihrer Seite weichen. -- Ihre Hoffnung war indeß vergeblich. Williams kehrte niemals wieder. Nach einem Jahre ließ ihr Vater seinen Schwiegersohn in allen öffentlichen Blättern aufrufen, binnen achtzehn Monaten zurückzukehren, weil sonst die Trennung seiner Ehe stattfinden werde. -- Der Aufruf blieb ohne Erfolg, und Betty wurde von dem Verschollenen geschieden. -- Das Gut, welches Williams für sie gekauft, die Renten, welche er ihr festgesetzt, blieben ihr und sicherten ihr eine für ihre Bedürfnisse überflüssige Wohlhabenheit. Ihr Glück war indessen dahin, und erst jetzt offenbarte sie die unselige Katastrophe ihres ehelichen Lebens. -- So viel uns bekannt ist, hat sie nicht wieder heirathen mögen, ob es ihr gleich nicht an annehmbaren Bewerbern gefehlt. Von dem grauen John war auch in London nichts mehr zu sehen und auch fürs Erste nichts zu hören, bis ein Ereigniß den schon Vergessenen auf kurze Zeit wieder in Erinnerung brachte. Eine Gesellschaft zur Unterstützung stiller Armer in London hatte seit einigen Jahren jedes Quartal eine höchst Thränen. Man dringt vergebens in sie, dasjenige, welches sich begeben, bekannt zu machen. Sie glaubt nun annehmen zu dürfen, Williams' Geheimniß sei eine hohe, räthselhafte Sonderbarkeit gewesen, aber kein Verbrechen, und will, was sie gesehen, ewig verschweigen, in der — freilich schwachen, — Hoffnung, Williams werde wiederkehren, ihre Reue sehen, ihr vergeben und nicht mehr von ihrer Seite weichen. — Ihre Hoffnung war indeß vergeblich. Williams kehrte niemals wieder. Nach einem Jahre ließ ihr Vater seinen Schwiegersohn in allen öffentlichen Blättern aufrufen, binnen achtzehn Monaten zurückzukehren, weil sonst die Trennung seiner Ehe stattfinden werde. — Der Aufruf blieb ohne Erfolg, und Betty wurde von dem Verschollenen geschieden. — Das Gut, welches Williams für sie gekauft, die Renten, welche er ihr festgesetzt, blieben ihr und sicherten ihr eine für ihre Bedürfnisse überflüssige Wohlhabenheit. Ihr Glück war indessen dahin, und erst jetzt offenbarte sie die unselige Katastrophe ihres ehelichen Lebens. — So viel uns bekannt ist, hat sie nicht wieder heirathen mögen, ob es ihr gleich nicht an annehmbaren Bewerbern gefehlt. Von dem grauen John war auch in London nichts mehr zu sehen und auch fürs Erste nichts zu hören, bis ein Ereigniß den schon Vergessenen auf kurze Zeit wieder in Erinnerung brachte. Eine Gesellschaft zur Unterstützung stiller Armer in London hatte seit einigen Jahren jedes Quartal eine höchst <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0056"/> Thränen. Man dringt vergebens in sie, dasjenige, welches sich begeben, bekannt zu machen. Sie glaubt nun annehmen zu dürfen, Williams' Geheimniß sei eine hohe, räthselhafte Sonderbarkeit gewesen, aber kein Verbrechen, und will, was sie gesehen, ewig verschweigen, in der — freilich schwachen, — Hoffnung, Williams werde wiederkehren, ihre Reue sehen, ihr vergeben und nicht mehr von ihrer Seite weichen. —</p><lb/> <p>Ihre Hoffnung war indeß vergeblich. Williams kehrte niemals wieder. Nach einem Jahre ließ ihr Vater seinen Schwiegersohn in allen öffentlichen Blättern aufrufen, binnen achtzehn Monaten zurückzukehren, weil sonst die Trennung seiner Ehe stattfinden werde. — Der Aufruf blieb ohne Erfolg, und Betty wurde von dem Verschollenen geschieden. — Das Gut, welches Williams für sie gekauft, die Renten, welche er ihr festgesetzt, blieben ihr und sicherten ihr eine für ihre Bedürfnisse überflüssige Wohlhabenheit. Ihr Glück war indessen dahin, und erst jetzt offenbarte sie die unselige Katastrophe ihres ehelichen Lebens. — So viel uns bekannt ist, hat sie nicht wieder heirathen mögen, ob es ihr gleich nicht an annehmbaren Bewerbern gefehlt. Von dem grauen John war auch in London nichts mehr zu sehen und auch fürs Erste nichts zu hören, bis ein Ereigniß den schon Vergessenen auf kurze Zeit wieder in Erinnerung brachte. Eine Gesellschaft zur Unterstützung stiller Armer in London hatte seit einigen Jahren jedes Quartal eine höchst<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
Thränen. Man dringt vergebens in sie, dasjenige, welches sich begeben, bekannt zu machen. Sie glaubt nun annehmen zu dürfen, Williams' Geheimniß sei eine hohe, räthselhafte Sonderbarkeit gewesen, aber kein Verbrechen, und will, was sie gesehen, ewig verschweigen, in der — freilich schwachen, — Hoffnung, Williams werde wiederkehren, ihre Reue sehen, ihr vergeben und nicht mehr von ihrer Seite weichen. —
Ihre Hoffnung war indeß vergeblich. Williams kehrte niemals wieder. Nach einem Jahre ließ ihr Vater seinen Schwiegersohn in allen öffentlichen Blättern aufrufen, binnen achtzehn Monaten zurückzukehren, weil sonst die Trennung seiner Ehe stattfinden werde. — Der Aufruf blieb ohne Erfolg, und Betty wurde von dem Verschollenen geschieden. — Das Gut, welches Williams für sie gekauft, die Renten, welche er ihr festgesetzt, blieben ihr und sicherten ihr eine für ihre Bedürfnisse überflüssige Wohlhabenheit. Ihr Glück war indessen dahin, und erst jetzt offenbarte sie die unselige Katastrophe ihres ehelichen Lebens. — So viel uns bekannt ist, hat sie nicht wieder heirathen mögen, ob es ihr gleich nicht an annehmbaren Bewerbern gefehlt. Von dem grauen John war auch in London nichts mehr zu sehen und auch fürs Erste nichts zu hören, bis ein Ereigniß den schon Vergessenen auf kurze Zeit wieder in Erinnerung brachte. Eine Gesellschaft zur Unterstützung stiller Armer in London hatte seit einigen Jahren jedes Quartal eine höchst
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Zitationshilfe: | Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/56>, abgerufen am 16.02.2025. |