Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht, eine Forderung der Gerechtigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung sozialer Notwendigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung der Kultur! München, 1907.Das Frauenstimmrecht ist eine Forderung der Kultur! Es ist eines freien Kulturstaates unwürdig, seine Bürger Unfreiheit und Abhängigkeit einer Volksklasse be- Der Männerstaat schafft Gesetze und Einrichtungen, Die Stellung der Frau wird erst dann eine menschen- Somit ist die Forderung der politischen Gleichberech- Das Frauenstimmrecht ist eine Forderung der Kultur! Es ist eines freien Kulturstaates unwürdig, seine Bürger Unfreiheit und Abhängigkeit einer Volksklasse be- Der Männerstaat schafft Gesetze und Einrichtungen, Die Stellung der Frau wird erst dann eine menschen- Somit ist die Forderung der politischen Gleichberech- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0007" n="[7]"/> <div n="1"> <head>Das Frauenstimmrecht ist eine Forderung<lb/> der Kultur!</head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s ist eines freien Kulturstaates unwürdig, seine Bürger<lb/> Gesetzen zu unterwerfen, an deren Zustandekommen<lb/> sie nicht beteiligt sind; deshalb ist die erste Forderung<lb/> eines modernen Kulturstaates die politische Befreiung aller<lb/> seiner Staatsangehörigen, der weiblichen sowohl wie der<lb/> männlichen. Die politische Befreiung der Männer macht<lb/> die Gesamtheit des Volkes nicht frei, denn sie erhält die<lb/> Frauen in doppelter Unfreiheit, in der Abhängigkeit von den<lb/> Gesetzen und in der Abhängigkeit vom Manne.</p><lb/> <p>Unfreiheit und Abhängigkeit einer Volksklasse be-<lb/> deutet für deren Angehörige schmachvolle Erniedrigung,<lb/> für die Gesamtheit dauernde Unkultur. Die Stellung der<lb/> Frau im Staate ist der beste Gradmesser für die Höhe<lb/> oder den Tiefstand seiner Kultur.</p><lb/> <p>Der Männerstaat schafft Gesetze und Einrichtungen,<lb/> welche die Frauen an der freien Entwicklung zur Persön-<lb/> lichkeit hindern; er entzieht dem Staate Kräfte, ohne die<lb/> derselbe niemals die Höhe wahrer Kultur erreichen wird.</p><lb/> <p>Die Stellung der Frau wird erst dann eine menschen-<lb/> würdige, wenn sie selbst an der Gesetzgebung beteiligt ist<lb/> und für das weibliche Geschlecht wie für die Jugend<lb/> Gesetze und Einrichtungen schafft, die den Anforderungen<lb/> echter Kultur entsprechen.</p><lb/> <p>Somit ist die Forderung der politischen Gleichberech-<lb/> tigung der Frauen eine Forderung der Kultur!</p><lb/> </div> <figure/><lb/> </body> </text> </TEI> [[7]/0007]
Das Frauenstimmrecht ist eine Forderung
der Kultur!
Es ist eines freien Kulturstaates unwürdig, seine Bürger
Gesetzen zu unterwerfen, an deren Zustandekommen
sie nicht beteiligt sind; deshalb ist die erste Forderung
eines modernen Kulturstaates die politische Befreiung aller
seiner Staatsangehörigen, der weiblichen sowohl wie der
männlichen. Die politische Befreiung der Männer macht
die Gesamtheit des Volkes nicht frei, denn sie erhält die
Frauen in doppelter Unfreiheit, in der Abhängigkeit von den
Gesetzen und in der Abhängigkeit vom Manne.
Unfreiheit und Abhängigkeit einer Volksklasse be-
deutet für deren Angehörige schmachvolle Erniedrigung,
für die Gesamtheit dauernde Unkultur. Die Stellung der
Frau im Staate ist der beste Gradmesser für die Höhe
oder den Tiefstand seiner Kultur.
Der Männerstaat schafft Gesetze und Einrichtungen,
welche die Frauen an der freien Entwicklung zur Persön-
lichkeit hindern; er entzieht dem Staate Kräfte, ohne die
derselbe niemals die Höhe wahrer Kultur erreichen wird.
Die Stellung der Frau wird erst dann eine menschen-
würdige, wenn sie selbst an der Gesetzgebung beteiligt ist
und für das weibliche Geschlecht wie für die Jugend
Gesetze und Einrichtungen schafft, die den Anforderungen
echter Kultur entsprechen.
Somit ist die Forderung der politischen Gleichberech-
tigung der Frauen eine Forderung der Kultur!
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