Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Er blieb aus und schrieb, er habe die Gelegenheit Unangemeldet kam er plötzlich um Pfingsten, zu Er blieb aus und ſchrieb, er habe die Gelegenheit Unangemeldet kam er plötzlich um Pfingſten, zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0053" n="41"/> Er blieb aus und ſchrieb, er habe die Gelegenheit<lb/> nicht verſäumen dürfen, einen verehrten Lehrer auf<lb/> einer botaniſchen Wanderung zu begleiten. Der Vater<lb/> war damit zufrieden, und Marlenen gelang es endlich,<lb/> auch die ungeduldige Mutter zu beſchwichtigen.</p><lb/> <p>Unangemeldet kam er plötzlich um Pfingſten, zu<lb/> Fuß, von einem ſtarken Marſch vor Tagesgrauen<lb/> nicht ermüdet, mit friſchen Wangen und ein voller<lb/> Mann. So trat er in die ſtille Wohnung, in der<lb/> die Mutter allein ihr Weſen hatte; denn es war der<lb/> Sonnabend vor dem Feſt. Mit einem Freudenſchrei<lb/> hing ihm die überraſchte Frau am Halſe. „Du?“ rief<lb/> ſie, als ſie ſich erholte und nun einen Schritt zurück¬<lb/> tretend den lang Entbehrten mit vollem Blick der<lb/> Liebe maß. „Alſo kommſt du doch noch, du Böſer,<lb/> du Vergeßlicher, und weißt noch den Weg zu Vater<lb/> und Mutter. Gott ſei gelobt! Ich dachte, du hätteſt<lb/> dir in den Kopf geſetzt, nur als Profeſſor dich wie¬<lb/> der ſehn zu laſſen, wenn meine alten Augen ſich viel¬<lb/> leicht nicht mehr <hi rendition="#g">hier unten</hi> an dir freuen würden.<lb/> Aber ich will dich nicht ſchelten; du biſt brav, du<lb/> biſt der Alte, du machſt mir ein Pfingſten, wie lange<lb/> keins war, mir und dem Vater, uns Allen!“ — „Mut¬<lb/> ter!“ ſagte er, „wie wohl iſt mir, daß ich wieder hier<lb/> bin! Es litt mich zuletzt nicht mehr da draußen; ich<lb/> wußte ſelbſt nicht, wie es kam, ich beſchloß es nicht<lb/> erſt, ich mußte fort, eines ſchönen Morgens anſtatt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0053]
Er blieb aus und ſchrieb, er habe die Gelegenheit
nicht verſäumen dürfen, einen verehrten Lehrer auf
einer botaniſchen Wanderung zu begleiten. Der Vater
war damit zufrieden, und Marlenen gelang es endlich,
auch die ungeduldige Mutter zu beſchwichtigen.
Unangemeldet kam er plötzlich um Pfingſten, zu
Fuß, von einem ſtarken Marſch vor Tagesgrauen
nicht ermüdet, mit friſchen Wangen und ein voller
Mann. So trat er in die ſtille Wohnung, in der
die Mutter allein ihr Weſen hatte; denn es war der
Sonnabend vor dem Feſt. Mit einem Freudenſchrei
hing ihm die überraſchte Frau am Halſe. „Du?“ rief
ſie, als ſie ſich erholte und nun einen Schritt zurück¬
tretend den lang Entbehrten mit vollem Blick der
Liebe maß. „Alſo kommſt du doch noch, du Böſer,
du Vergeßlicher, und weißt noch den Weg zu Vater
und Mutter. Gott ſei gelobt! Ich dachte, du hätteſt
dir in den Kopf geſetzt, nur als Profeſſor dich wie¬
der ſehn zu laſſen, wenn meine alten Augen ſich viel¬
leicht nicht mehr hier unten an dir freuen würden.
Aber ich will dich nicht ſchelten; du biſt brav, du
biſt der Alte, du machſt mir ein Pfingſten, wie lange
keins war, mir und dem Vater, uns Allen!“ — „Mut¬
ter!“ ſagte er, „wie wohl iſt mir, daß ich wieder hier
bin! Es litt mich zuletzt nicht mehr da draußen; ich
wußte ſelbſt nicht, wie es kam, ich beſchloß es nicht
erſt, ich mußte fort, eines ſchönen Morgens anſtatt
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