Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Stäubchen entfernt war. Clemens traten die Thrä¬ Der alte Mann starb; in das Häuschen zog sein Stäubchen entfernt war. Clemens traten die Thrä¬ Der alte Mann ſtarb; in das Häuschen zog ſein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="40"/> Stäubchen entfernt war. Clemens traten die Thrä¬<lb/> nen in die Augen, wenn er ſie bemüht ſah, ihren<lb/> gelähmten Vater zu waſchen und ſeine dünnen Locken<lb/> zu kämmen. — Sie war blaß geworden in der heißen<lb/> Luft der Krankenſtube, aber die braunen Augen hatten<lb/> darum nur tieferen Glanz, und in aller niederen Ar¬<lb/> beit trat der Adel ihres Weſens nur lebendiger hervor.</p><lb/> <p>Der alte Mann ſtarb; in das Häuschen zog ſein<lb/> Nachfolger ein und Marlene fand im Pfarrhauſe<lb/> eine freundliche Zuflucht. Clemens, der indeſſen eine<lb/> entferntere Univerſität bezogen hatte und nicht wie<lb/> ſonſt zweimal des Jahres ſeine Heimath beſuchen<lb/> konnte, erfuhr dies Alles aus Briefen, die ſelten<lb/> kamen und die er unregelmäßig beantwortete. Zu¬<lb/> weilen kam ein Zettel für das Mädchen mit, in dem<lb/> er ſich gegen ſeine Art übermüthig ſcherzhaft geberdete<lb/> und ihr faſt wie einem Kinde begegnete, daß die<lb/> Mutter den Kopf ſchüttelte und vor dem Vater da¬<lb/> von ſchwieg. Marlene ließ ſich dieſe ſeltſamen Brief¬<lb/> chen ernſthaft vorleſen, bat ſie ſich aus und bewahrte<lb/> ſie. Als ihr Vater geſtorben war, erhielt ſie einen<lb/> kurzen aufgeregten Brief, der weder tröſtete noch ein<lb/> Wort der Mittrauer enthielt, nur heftige Bitten, ihre<lb/> Geſundheit zu ſchonen, ſtille zu ſein, ihn genau wiſ¬<lb/> ſen zu laſſen, wie es um ſie ſtehe. Das war im<lb/> Winter und dieſer Brief der letzte an Marlenen. Man<lb/> erwartete auf Oſtern einen Beſuch des Jünglings.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0052]
Stäubchen entfernt war. Clemens traten die Thrä¬
nen in die Augen, wenn er ſie bemüht ſah, ihren
gelähmten Vater zu waſchen und ſeine dünnen Locken
zu kämmen. — Sie war blaß geworden in der heißen
Luft der Krankenſtube, aber die braunen Augen hatten
darum nur tieferen Glanz, und in aller niederen Ar¬
beit trat der Adel ihres Weſens nur lebendiger hervor.
Der alte Mann ſtarb; in das Häuschen zog ſein
Nachfolger ein und Marlene fand im Pfarrhauſe
eine freundliche Zuflucht. Clemens, der indeſſen eine
entferntere Univerſität bezogen hatte und nicht wie
ſonſt zweimal des Jahres ſeine Heimath beſuchen
konnte, erfuhr dies Alles aus Briefen, die ſelten
kamen und die er unregelmäßig beantwortete. Zu¬
weilen kam ein Zettel für das Mädchen mit, in dem
er ſich gegen ſeine Art übermüthig ſcherzhaft geberdete
und ihr faſt wie einem Kinde begegnete, daß die
Mutter den Kopf ſchüttelte und vor dem Vater da¬
von ſchwieg. Marlene ließ ſich dieſe ſeltſamen Brief¬
chen ernſthaft vorleſen, bat ſie ſich aus und bewahrte
ſie. Als ihr Vater geſtorben war, erhielt ſie einen
kurzen aufgeregten Brief, der weder tröſtete noch ein
Wort der Mittrauer enthielt, nur heftige Bitten, ihre
Geſundheit zu ſchonen, ſtille zu ſein, ihn genau wiſ¬
ſen zu laſſen, wie es um ſie ſtehe. Das war im
Winter und dieſer Brief der letzte an Marlenen. Man
erwartete auf Oſtern einen Beſuch des Jünglings.
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