Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.zur Linken mit den Primeln und Monatsrosen? Du Er trat vom Fenster zurück, an dem der Sohn Nach einer Pause sprach er weiter: "Wen habe ich Clemens wandte sich. Er hatte den Vater nie so zur Linken mit den Primeln und Monatsroſen? Du Er trat vom Fenſter zurück, an dem der Sohn Nach einer Pauſe ſprach er weiter: „Wen habe ich Clemens wandte ſich. Er hatte den Vater nie ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0056" n="44"/> zur Linken mit den Primeln und Monatsroſen? Du<lb/> haſt es ſonſt nicht geſehn. Weißt du, wer da ſchläft?<lb/> Mein guter, alter Freund, der Vater unſrer Marlene.“</p><lb/> <p>Er trat vom Fenſter zurück, an dem der Sohn<lb/> ergriffen ſtehn blieb. Er ging wieder das Zimmer<lb/> auf und nieder, und während ſie ſchwiegen, hörten<lb/> ſie den Sand unter dem ruhigen Schritt kniſtern.<lb/> „Ja,“ ſagte der Alte mit tiefem Athemzug, „es hat<lb/> ihn Keiner gekannt ſo wie ich, Keiner das an ihm<lb/> gehabt, Keiner das an ihm verloren. Was wußte<lb/> er von der Welt und ihrer Weisheit, die ja Thorheit<lb/> iſt vor Gott! Was er wußte, war ihm Alles Offenba¬<lb/> rung von innen, und aus der Schrift, und aus dem<lb/> Schmerz. Er iſt ſelig geworden, weil er ſelig war.“</p><lb/> <p>Nach einer Pauſe ſprach er weiter: „Wen habe ich<lb/> nun, der mich beſchämt, wenn ich hoffährtig werde,<lb/> und rettet, wenn ich ſtrauchle im Glauben, und die<lb/> Gedanken ſchlichtet, die ſich anklagen und entſchul¬<lb/> digen? Die Welt wird ſo klug um mich. Was ich<lb/> höre, verſtehe ich nicht, und was ich leſe, <hi rendition="#g">will</hi> meine<lb/> Seele nicht verſtehen, denn es iſt ihr Unheil. Wie<lb/> Viele ſtehn auf und meinen, mit Zungen zu reden,<lb/> und ſiehe, es iſt Lippenwerk. Und die Spötter hören<lb/> es und haben ihre Freude. Mein alter Freund, wäre<lb/> ich wo <hi rendition="#g">du</hi> biſt!“</p><lb/> <p>Clemens wandte ſich. Er hatte den Vater nie ſo<lb/> über eigne Herzensnöthe reden hören. Er trat zu ihm<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0056]
zur Linken mit den Primeln und Monatsroſen? Du
haſt es ſonſt nicht geſehn. Weißt du, wer da ſchläft?
Mein guter, alter Freund, der Vater unſrer Marlene.“
Er trat vom Fenſter zurück, an dem der Sohn
ergriffen ſtehn blieb. Er ging wieder das Zimmer
auf und nieder, und während ſie ſchwiegen, hörten
ſie den Sand unter dem ruhigen Schritt kniſtern.
„Ja,“ ſagte der Alte mit tiefem Athemzug, „es hat
ihn Keiner gekannt ſo wie ich, Keiner das an ihm
gehabt, Keiner das an ihm verloren. Was wußte
er von der Welt und ihrer Weisheit, die ja Thorheit
iſt vor Gott! Was er wußte, war ihm Alles Offenba¬
rung von innen, und aus der Schrift, und aus dem
Schmerz. Er iſt ſelig geworden, weil er ſelig war.“
Nach einer Pauſe ſprach er weiter: „Wen habe ich
nun, der mich beſchämt, wenn ich hoffährtig werde,
und rettet, wenn ich ſtrauchle im Glauben, und die
Gedanken ſchlichtet, die ſich anklagen und entſchul¬
digen? Die Welt wird ſo klug um mich. Was ich
höre, verſtehe ich nicht, und was ich leſe, will meine
Seele nicht verſtehen, denn es iſt ihr Unheil. Wie
Viele ſtehn auf und meinen, mit Zungen zu reden,
und ſiehe, es iſt Lippenwerk. Und die Spötter hören
es und haben ihre Freude. Mein alter Freund, wäre
ich wo du biſt!“
Clemens wandte ſich. Er hatte den Vater nie ſo
über eigne Herzensnöthe reden hören. Er trat zu ihm
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