Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.blieb gespannt auf derselben Stelle. Perrette fertigte Meister Adam aber, der sich nicht träumen ließ, 6
blieb geſpannt auf derſelben Stelle. Perrette fertigte Meiſter Adam aber, der ſich nicht träumen ließ, 6
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="81"/> blieb geſpannt auf derſelben Stelle. Perrette fertigte<lb/> das Schauſpielervolk mit ihrem flinken Zünglein von<lb/> Zeit zu Zeit verſtändlich genug ab.</p><lb/> <p>Meiſter Adam aber, der ſich nicht träumen ließ,<lb/> daß ſein junges Weib ihm zuſah, war indeß von der<lb/> andern Seite aufgetreten, und zwar in ſeinem eige¬<lb/> nen Coſtüm und Charakter. Er begann in ſchönen<lb/> Verſen ſeine Noth zu klagen: er wolle nach Paris<lb/> und habe keinen Heller in der Taſche, und ſein ſtein¬<lb/> reicher Onkel ſei von der ſchlimmſten Peſtilenz der<lb/> Welt, einem hartnäckigen Geiz, derart befallen, daß<lb/> er von ihm nichts zu erwarten habe. Nun trat ein<lb/> Arzt auf und Adam zog ihn zu Rath, ob er den<lb/> Geiz curiren könne, ſo wolle er ihm ein ſaubres<lb/> Exemplar von Patienten nachweiſen; worauf ſich denn<lb/> der Arzt in gelehrten Erörterungen der verſchiedenen<lb/> Species des Geizes ergoß, welche curabel ſei und<lb/> welche nicht, und in dem Fall, den Adam beſchrieb,<lb/> auch noch alle Hoffnung machte, wenn er den Pa¬<lb/> tienten nur mit Augen ſehen könnte. Da kam denn<lb/> eine dritte Figur hervor, dem alten Onkel Adams<lb/> täuſchend ähnlich in Geſtalt, Geberde und Kleidung,<lb/> daß die Zuſchauer des Lachens kein Ende wußten.<lb/> Dieſem ehrwürdigen Herrn ging der Herr Doctor<lb/> entgegen, fühlt' ihm höflich den Puls, ließ ſich die<lb/> Zunge weiſen, fragte nach dieſem und jenem und<lb/> zuletzt nach einigen deutlicheren Symptomen des Erz¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">6<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [81/0093]
blieb geſpannt auf derſelben Stelle. Perrette fertigte
das Schauſpielervolk mit ihrem flinken Zünglein von
Zeit zu Zeit verſtändlich genug ab.
Meiſter Adam aber, der ſich nicht träumen ließ,
daß ſein junges Weib ihm zuſah, war indeß von der
andern Seite aufgetreten, und zwar in ſeinem eige¬
nen Coſtüm und Charakter. Er begann in ſchönen
Verſen ſeine Noth zu klagen: er wolle nach Paris
und habe keinen Heller in der Taſche, und ſein ſtein¬
reicher Onkel ſei von der ſchlimmſten Peſtilenz der
Welt, einem hartnäckigen Geiz, derart befallen, daß
er von ihm nichts zu erwarten habe. Nun trat ein
Arzt auf und Adam zog ihn zu Rath, ob er den
Geiz curiren könne, ſo wolle er ihm ein ſaubres
Exemplar von Patienten nachweiſen; worauf ſich denn
der Arzt in gelehrten Erörterungen der verſchiedenen
Species des Geizes ergoß, welche curabel ſei und
welche nicht, und in dem Fall, den Adam beſchrieb,
auch noch alle Hoffnung machte, wenn er den Pa¬
tienten nur mit Augen ſehen könnte. Da kam denn
eine dritte Figur hervor, dem alten Onkel Adams
täuſchend ähnlich in Geſtalt, Geberde und Kleidung,
daß die Zuſchauer des Lachens kein Ende wußten.
Dieſem ehrwürdigen Herrn ging der Herr Doctor
entgegen, fühlt' ihm höflich den Puls, ließ ſich die
Zunge weiſen, fragte nach dieſem und jenem und
zuletzt nach einigen deutlicheren Symptomen des Erz¬
6
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |