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Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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milden Gemüthes wegen sehr in Ehren hielt und nächst den Kapuzinern ihm das größte Vertrauen zuwendete, nannte ihn nicht anders als den "Zehnuhrmesser" und bewies ihm aus mannigfache Art seine Gunst. Es war kein Haus weit und breit, wo, wenn er ansprach, nicht der Weinkrug und irgend ein Imbiß auf den Tisch gestellt wurde, so daß es dem wackern Mann gelungen war, im Lause der Zeit zwar nicht die natürliche Hagerkeit seines Wuchses zu verbessern, aber wenigstens der Würde seiner Erscheinung durch ein schüchternes Bäuchlein aufzuhelfen. Dasselbe nahm sich, da es sich mit dem übrigen Zuschnitt der Figur nur um Gotteswillen vertrug, für ein profaneres Auge spaßhaft aus, wie es schief und ängstlich unter dem dünnen Rocke festgeknüpft saß. Aber zu dem bescheidenen Ausdruck des Gesichts stimmte die verlegentliche Bürde ganz wohl, und es fiel keinem seiner Beichtkinder ein, diesen Spätling der Natur zu belächeln. Auch wußte Niemand dem Herrn Zehnuhrmesser eine Unmäßigkeit nachzusagen, es sei denn etwa im Almosenspenden. Denn daß man allerorten sich beeilte, ihn mit dem Besten aus dem eigenen Weinberg zu bewirthen, lag zum Theil an dem Rufe, dessen er genoß, als sei viele Stunden weit keine weltliche oder geistliche Zunge besser im Stande, die Güte des Weins zu schätzen, seine Dauerhaftigkeit zu bestimmen, und in Fällen, wo ihm durch ein kleines Mittelchen aufzuhelfen war, das Richtige anzugeben. "Eine Weinzunge haben, wie der

milden Gemüthes wegen sehr in Ehren hielt und nächst den Kapuzinern ihm das größte Vertrauen zuwendete, nannte ihn nicht anders als den „Zehnuhrmesser“ und bewies ihm aus mannigfache Art seine Gunst. Es war kein Haus weit und breit, wo, wenn er ansprach, nicht der Weinkrug und irgend ein Imbiß auf den Tisch gestellt wurde, so daß es dem wackern Mann gelungen war, im Lause der Zeit zwar nicht die natürliche Hagerkeit seines Wuchses zu verbessern, aber wenigstens der Würde seiner Erscheinung durch ein schüchternes Bäuchlein aufzuhelfen. Dasselbe nahm sich, da es sich mit dem übrigen Zuschnitt der Figur nur um Gotteswillen vertrug, für ein profaneres Auge spaßhaft aus, wie es schief und ängstlich unter dem dünnen Rocke festgeknüpft saß. Aber zu dem bescheidenen Ausdruck des Gesichts stimmte die verlegentliche Bürde ganz wohl, und es fiel keinem seiner Beichtkinder ein, diesen Spätling der Natur zu belächeln. Auch wußte Niemand dem Herrn Zehnuhrmesser eine Unmäßigkeit nachzusagen, es sei denn etwa im Almosenspenden. Denn daß man allerorten sich beeilte, ihn mit dem Besten aus dem eigenen Weinberg zu bewirthen, lag zum Theil an dem Rufe, dessen er genoß, als sei viele Stunden weit keine weltliche oder geistliche Zunge besser im Stande, die Güte des Weins zu schätzen, seine Dauerhaftigkeit zu bestimmen, und in Fällen, wo ihm durch ein kleines Mittelchen aufzuhelfen war, das Richtige anzugeben. „Eine Weinzunge haben, wie der

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[0011] milden Gemüthes wegen sehr in Ehren hielt und nächst den Kapuzinern ihm das größte Vertrauen zuwendete, nannte ihn nicht anders als den „Zehnuhrmesser“ und bewies ihm aus mannigfache Art seine Gunst. Es war kein Haus weit und breit, wo, wenn er ansprach, nicht der Weinkrug und irgend ein Imbiß auf den Tisch gestellt wurde, so daß es dem wackern Mann gelungen war, im Lause der Zeit zwar nicht die natürliche Hagerkeit seines Wuchses zu verbessern, aber wenigstens der Würde seiner Erscheinung durch ein schüchternes Bäuchlein aufzuhelfen. Dasselbe nahm sich, da es sich mit dem übrigen Zuschnitt der Figur nur um Gotteswillen vertrug, für ein profaneres Auge spaßhaft aus, wie es schief und ängstlich unter dem dünnen Rocke festgeknüpft saß. Aber zu dem bescheidenen Ausdruck des Gesichts stimmte die verlegentliche Bürde ganz wohl, und es fiel keinem seiner Beichtkinder ein, diesen Spätling der Natur zu belächeln. Auch wußte Niemand dem Herrn Zehnuhrmesser eine Unmäßigkeit nachzusagen, es sei denn etwa im Almosenspenden. Denn daß man allerorten sich beeilte, ihn mit dem Besten aus dem eigenen Weinberg zu bewirthen, lag zum Theil an dem Rufe, dessen er genoß, als sei viele Stunden weit keine weltliche oder geistliche Zunge besser im Stande, die Güte des Weins zu schätzen, seine Dauerhaftigkeit zu bestimmen, und in Fällen, wo ihm durch ein kleines Mittelchen aufzuhelfen war, das Richtige anzugeben. „Eine Weinzunge haben, wie der

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/11>, abgerufen am 03.12.2024.