Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gemacht werden. Sie mochte das auch bei sich denken, denn sie ließ mich machen, was ich wollte, und kniete andächtig vor dem Kreuz. Wie ich nun mit meinem Latein zu Ende war, küßte ich sie von Herzen und sagte: Nun bin ich dein Mann und du bist mein Weib, und nur der Tod soll uns scheiden! -- Sie nickte, und das Herz lachte ihr aus den Augen, und darauf standen wir von den Knieen auf und blieben noch eine Weile droben stehen, und es war uns wundervoll zu Muth in der großen Stille und Heimlichkeit, wie wir da mitsammen an die hundert Meilen weit auf Länder, Städte und Fluße hinuntersahen, und Niemand war bei uns, als unser Herrgott, vor dessen Angesicht wir uns eben Treue bis in den Tod gelobt hatten. Sie kennen ja die Moidi, Hochwürden, und daß sie lieber lacht als weint, auch für ihr Alter noch immer zu viel Kinderpossen im Kopf hatte. Aber an unserm ganzen Hochzeitstag haben wir gar nicht gelacht, auch nicht viel geredt mit einander, sondern sind so feierlich, als wenn das ganze Gebirg nur eine große Kirche wäre, in der schönen Sonne hin gewandert, nur daß die Moidi im Gehen Blumen pflückte und mir einen hochzeitlichen Strauß an die Jacke steckte, sich selbst aber ein Kränzel band und an den Arm hing. Geld hatten wir auch noch und konnten in der nächsten Hütte uns austragen lassen, was der Senner nur hergeben wollte. So war's eine ganz lustige Hochzeit, gemacht werden. Sie mochte das auch bei sich denken, denn sie ließ mich machen, was ich wollte, und kniete andächtig vor dem Kreuz. Wie ich nun mit meinem Latein zu Ende war, küßte ich sie von Herzen und sagte: Nun bin ich dein Mann und du bist mein Weib, und nur der Tod soll uns scheiden! — Sie nickte, und das Herz lachte ihr aus den Augen, und darauf standen wir von den Knieen auf und blieben noch eine Weile droben stehen, und es war uns wundervoll zu Muth in der großen Stille und Heimlichkeit, wie wir da mitsammen an die hundert Meilen weit auf Länder, Städte und Fluße hinuntersahen, und Niemand war bei uns, als unser Herrgott, vor dessen Angesicht wir uns eben Treue bis in den Tod gelobt hatten. Sie kennen ja die Moidi, Hochwürden, und daß sie lieber lacht als weint, auch für ihr Alter noch immer zu viel Kinderpossen im Kopf hatte. Aber an unserm ganzen Hochzeitstag haben wir gar nicht gelacht, auch nicht viel geredt mit einander, sondern sind so feierlich, als wenn das ganze Gebirg nur eine große Kirche wäre, in der schönen Sonne hin gewandert, nur daß die Moidi im Gehen Blumen pflückte und mir einen hochzeitlichen Strauß an die Jacke steckte, sich selbst aber ein Kränzel band und an den Arm hing. Geld hatten wir auch noch und konnten in der nächsten Hütte uns austragen lassen, was der Senner nur hergeben wollte. So war's eine ganz lustige Hochzeit, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0115"/> gemacht werden. Sie mochte das auch bei sich denken, denn sie ließ mich machen, was ich wollte, und kniete andächtig vor dem Kreuz. Wie ich nun mit meinem Latein zu Ende war, küßte ich sie von Herzen und sagte: Nun bin ich dein Mann und du bist mein Weib, und nur der Tod soll uns scheiden! — Sie nickte, und das Herz lachte ihr aus den Augen, und darauf standen wir von den Knieen auf und blieben noch eine Weile droben stehen, und es war uns wundervoll zu Muth in der großen Stille und Heimlichkeit, wie wir da mitsammen an die hundert Meilen weit auf Länder, Städte und Fluße hinuntersahen, und Niemand war bei uns, als unser Herrgott, vor dessen Angesicht wir uns eben Treue bis in den Tod gelobt hatten.</p><lb/> <p>Sie kennen ja die Moidi, Hochwürden, und daß sie lieber lacht als weint, auch für ihr Alter noch immer zu viel Kinderpossen im Kopf hatte. Aber an unserm ganzen Hochzeitstag haben wir gar nicht gelacht, auch nicht viel geredt mit einander, sondern sind so feierlich, als wenn das ganze Gebirg nur eine große Kirche wäre, in der schönen Sonne hin gewandert, nur daß die Moidi im Gehen Blumen pflückte und mir einen hochzeitlichen Strauß an die Jacke steckte, sich selbst aber ein Kränzel band und an den Arm hing. Geld hatten wir auch noch und konnten in der nächsten Hütte uns austragen lassen, was der Senner nur hergeben wollte. So war's eine ganz lustige Hochzeit,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0115]
gemacht werden. Sie mochte das auch bei sich denken, denn sie ließ mich machen, was ich wollte, und kniete andächtig vor dem Kreuz. Wie ich nun mit meinem Latein zu Ende war, küßte ich sie von Herzen und sagte: Nun bin ich dein Mann und du bist mein Weib, und nur der Tod soll uns scheiden! — Sie nickte, und das Herz lachte ihr aus den Augen, und darauf standen wir von den Knieen auf und blieben noch eine Weile droben stehen, und es war uns wundervoll zu Muth in der großen Stille und Heimlichkeit, wie wir da mitsammen an die hundert Meilen weit auf Länder, Städte und Fluße hinuntersahen, und Niemand war bei uns, als unser Herrgott, vor dessen Angesicht wir uns eben Treue bis in den Tod gelobt hatten.
Sie kennen ja die Moidi, Hochwürden, und daß sie lieber lacht als weint, auch für ihr Alter noch immer zu viel Kinderpossen im Kopf hatte. Aber an unserm ganzen Hochzeitstag haben wir gar nicht gelacht, auch nicht viel geredt mit einander, sondern sind so feierlich, als wenn das ganze Gebirg nur eine große Kirche wäre, in der schönen Sonne hin gewandert, nur daß die Moidi im Gehen Blumen pflückte und mir einen hochzeitlichen Strauß an die Jacke steckte, sich selbst aber ein Kränzel band und an den Arm hing. Geld hatten wir auch noch und konnten in der nächsten Hütte uns austragen lassen, was der Senner nur hergeben wollte. So war's eine ganz lustige Hochzeit,
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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