Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.es auch gesagt hat? Und gesagt bat sie's freilich, Wort für Wort und mehr als Einmal. Aber du weißt ja, daß sie einen Haß auf dich hatte. Vielleicht hat sie's nur gesagt, damit du keinen Theil an der Erbschaft bekämst, weil sie mir Alles allein gönnte. Vielleicht war's auch nur so ein Geschwätz, weil sie Reue hatte über das Böse, das sie dir ihr Lebtag angethan. Sie hat sich selber einreden wollen, du Wärst ein fremdes Kind gewesen, weil sie dich nicht wie ihr eigenes gehalten hat. Was liegt aber daran? Besinne dich, drängte er; hat sie nicht gesagt, wer ihr das Kind übergeben hat? Ist kein Andrer dabei gewesen, als sie's gesagt hat? War's immer im Fieber, oder auch, wenn sie Nachts aufgewacht ist und geglaubt hat, du schliefest, und sie sprach dann mit sich selbst, wie sie ja auch sonst gethan hat, als der Vater noch lebte? Wer dich zu ihr gebracht hat? nein, davon hat sie nie geredet, erwiderte das Mädchen und suchte sich ernsthaft auf Alles zurückzubesinnen. Aber wart, es fällt mir ein, daß der Zehnuhrmesser einmal an ihrem Bette gesessen ist, als sie grad' wieder so irre sprach, und da ist sie aufgefahren und hat ihre Kleider begehrt, sie wollte zum Herrn Decan hinunter, zum Gericht, bis an den Kaiser wollte sie gehen, daß es überall ausgerufen würde, du seiest nicht ihr Sohn. Ich kam aus der Küche hereingelaufen, da sah ich, wie der hochwürdige Herr ganz erschrocken bei ihr es auch gesagt hat? Und gesagt bat sie's freilich, Wort für Wort und mehr als Einmal. Aber du weißt ja, daß sie einen Haß auf dich hatte. Vielleicht hat sie's nur gesagt, damit du keinen Theil an der Erbschaft bekämst, weil sie mir Alles allein gönnte. Vielleicht war's auch nur so ein Geschwätz, weil sie Reue hatte über das Böse, das sie dir ihr Lebtag angethan. Sie hat sich selber einreden wollen, du Wärst ein fremdes Kind gewesen, weil sie dich nicht wie ihr eigenes gehalten hat. Was liegt aber daran? Besinne dich, drängte er; hat sie nicht gesagt, wer ihr das Kind übergeben hat? Ist kein Andrer dabei gewesen, als sie's gesagt hat? War's immer im Fieber, oder auch, wenn sie Nachts aufgewacht ist und geglaubt hat, du schliefest, und sie sprach dann mit sich selbst, wie sie ja auch sonst gethan hat, als der Vater noch lebte? Wer dich zu ihr gebracht hat? nein, davon hat sie nie geredet, erwiderte das Mädchen und suchte sich ernsthaft auf Alles zurückzubesinnen. Aber wart, es fällt mir ein, daß der Zehnuhrmesser einmal an ihrem Bette gesessen ist, als sie grad' wieder so irre sprach, und da ist sie aufgefahren und hat ihre Kleider begehrt, sie wollte zum Herrn Decan hinunter, zum Gericht, bis an den Kaiser wollte sie gehen, daß es überall ausgerufen würde, du seiest nicht ihr Sohn. Ich kam aus der Küche hereingelaufen, da sah ich, wie der hochwürdige Herr ganz erschrocken bei ihr <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0093"/> es auch gesagt hat? Und gesagt bat sie's freilich, Wort für Wort und mehr als Einmal. Aber du weißt ja, daß sie einen Haß auf dich hatte. Vielleicht hat sie's nur gesagt, damit du keinen Theil an der Erbschaft bekämst, weil sie mir Alles allein gönnte. Vielleicht war's auch nur so ein Geschwätz, weil sie Reue hatte über das Böse, das sie dir ihr Lebtag angethan. Sie hat sich selber einreden wollen, du Wärst ein fremdes Kind gewesen, weil sie dich nicht wie ihr eigenes gehalten hat. Was liegt aber daran?</p><lb/> <p>Besinne dich, drängte er; hat sie nicht gesagt, wer ihr das Kind übergeben hat? Ist kein Andrer dabei gewesen, als sie's gesagt hat? War's immer im Fieber, oder auch, wenn sie Nachts aufgewacht ist und geglaubt hat, du schliefest, und sie sprach dann mit sich selbst, wie sie ja auch sonst gethan hat, als der Vater noch lebte?</p><lb/> <p>Wer dich zu ihr gebracht hat? nein, davon hat sie nie geredet, erwiderte das Mädchen und suchte sich ernsthaft auf Alles zurückzubesinnen. Aber wart, es fällt mir ein, daß der Zehnuhrmesser einmal an ihrem Bette gesessen ist, als sie grad' wieder so irre sprach, und da ist sie aufgefahren und hat ihre Kleider begehrt, sie wollte zum Herrn Decan hinunter, zum Gericht, bis an den Kaiser wollte sie gehen, daß es überall ausgerufen würde, du seiest nicht ihr Sohn. Ich kam aus der Küche hereingelaufen, da sah ich, wie der hochwürdige Herr ganz erschrocken bei ihr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
es auch gesagt hat? Und gesagt bat sie's freilich, Wort für Wort und mehr als Einmal. Aber du weißt ja, daß sie einen Haß auf dich hatte. Vielleicht hat sie's nur gesagt, damit du keinen Theil an der Erbschaft bekämst, weil sie mir Alles allein gönnte. Vielleicht war's auch nur so ein Geschwätz, weil sie Reue hatte über das Böse, das sie dir ihr Lebtag angethan. Sie hat sich selber einreden wollen, du Wärst ein fremdes Kind gewesen, weil sie dich nicht wie ihr eigenes gehalten hat. Was liegt aber daran?
Besinne dich, drängte er; hat sie nicht gesagt, wer ihr das Kind übergeben hat? Ist kein Andrer dabei gewesen, als sie's gesagt hat? War's immer im Fieber, oder auch, wenn sie Nachts aufgewacht ist und geglaubt hat, du schliefest, und sie sprach dann mit sich selbst, wie sie ja auch sonst gethan hat, als der Vater noch lebte?
Wer dich zu ihr gebracht hat? nein, davon hat sie nie geredet, erwiderte das Mädchen und suchte sich ernsthaft auf Alles zurückzubesinnen. Aber wart, es fällt mir ein, daß der Zehnuhrmesser einmal an ihrem Bette gesessen ist, als sie grad' wieder so irre sprach, und da ist sie aufgefahren und hat ihre Kleider begehrt, sie wollte zum Herrn Decan hinunter, zum Gericht, bis an den Kaiser wollte sie gehen, daß es überall ausgerufen würde, du seiest nicht ihr Sohn. Ich kam aus der Küche hereingelaufen, da sah ich, wie der hochwürdige Herr ganz erschrocken bei ihr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T11:27:07Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T11:27:07Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |