Heyse, Paul; Kurz, Hermann: Einleitung. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. V–XXIV. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.durch den Eigensinn der Umstände und Charaktere und eine durchaus nicht allgemein gültige Lösung der dramatischen Behandlung entziehen, sittliche Zartheit oder Größe, die zu ihrem Verständniß der sorgfältigsten Einzelzüge bedarf, alles Einzige und Eigenartige, selbst Grillige und bis an die Grenze des Häßlichen sich Verirrende ist von der Novelle dichterisch zu verwerthen. Denn es bleibt ihr von ihrem Ursprung her ein gewisses Schutzrecht für das bloß Thatsächliche, das schlechthin Erlebte, und für den oft nicht ganz reinlichen Erdenrest der Wirklichkeit kann sie vollauf entschädigen, theils durch die harmlose Lebendigkeit des Tons, indem sie Stoffe von geringem dichterischen Gehalt auch in anspruchsloserer Form, ohne den vollen Nachdruck ihrer Kunstmittel überliefert, theils durch die unerschöpfliche Bedeutsamkeit des Stoffes selbst, da der Mensch auch in seinen Unzulänglichkeiten dem Menschen doch immer das Interessanteste bleibt. Thöricht wäre daher die Forderung, auch Probleme der oben bezeichneten Art, die oft nur durch die zartesten Schattirungen, reizendes Helldunkel oder eine photographische Deutlichkeit unser Interesse gewinnen, in jener naiven Holzschnittmustermanier der alten Italiener oder mit den ungebrochenen Farben des großen Spaniers zu behandeln. Hier sind alle jene Mittel höchst individueller Vortragsweise nicht nur erlaubt, sondern sogar gefordert, wie sie einigen der durch den Eigensinn der Umstände und Charaktere und eine durchaus nicht allgemein gültige Lösung der dramatischen Behandlung entziehen, sittliche Zartheit oder Größe, die zu ihrem Verständniß der sorgfältigsten Einzelzüge bedarf, alles Einzige und Eigenartige, selbst Grillige und bis an die Grenze des Häßlichen sich Verirrende ist von der Novelle dichterisch zu verwerthen. Denn es bleibt ihr von ihrem Ursprung her ein gewisses Schutzrecht für das bloß Thatsächliche, das schlechthin Erlebte, und für den oft nicht ganz reinlichen Erdenrest der Wirklichkeit kann sie vollauf entschädigen, theils durch die harmlose Lebendigkeit des Tons, indem sie Stoffe von geringem dichterischen Gehalt auch in anspruchsloserer Form, ohne den vollen Nachdruck ihrer Kunstmittel überliefert, theils durch die unerschöpfliche Bedeutsamkeit des Stoffes selbst, da der Mensch auch in seinen Unzulänglichkeiten dem Menschen doch immer das Interessanteste bleibt. Thöricht wäre daher die Forderung, auch Probleme der oben bezeichneten Art, die oft nur durch die zartesten Schattirungen, reizendes Helldunkel oder eine photographische Deutlichkeit unser Interesse gewinnen, in jener naiven Holzschnittmustermanier der alten Italiener oder mit den ungebrochenen Farben des großen Spaniers zu behandeln. Hier sind alle jene Mittel höchst individueller Vortragsweise nicht nur erlaubt, sondern sogar gefordert, wie sie einigen der <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0015" n="XV"/> durch den Eigensinn der Umstände und Charaktere und eine durchaus nicht allgemein gültige Lösung der dramatischen Behandlung entziehen, sittliche Zartheit oder Größe, die zu ihrem Verständniß der sorgfältigsten Einzelzüge bedarf, alles Einzige und Eigenartige, selbst Grillige und bis an die Grenze des Häßlichen sich Verirrende ist von der Novelle dichterisch zu verwerthen. Denn es bleibt ihr von ihrem Ursprung her ein gewisses Schutzrecht für das bloß Thatsächliche, das schlechthin Erlebte, und für den oft nicht ganz reinlichen Erdenrest der Wirklichkeit kann sie vollauf entschädigen, theils durch die harmlose Lebendigkeit des Tons, indem sie Stoffe von geringem dichterischen Gehalt auch in anspruchsloserer Form, ohne den vollen Nachdruck ihrer Kunstmittel überliefert, theils durch die unerschöpfliche Bedeutsamkeit des Stoffes selbst, da der Mensch auch in seinen Unzulänglichkeiten dem Menschen doch immer das Interessanteste bleibt.</p> <p>Thöricht wäre daher die Forderung, auch Probleme der oben bezeichneten Art, die oft nur durch die zartesten Schattirungen, reizendes Helldunkel oder eine photographische Deutlichkeit unser Interesse gewinnen, in jener naiven Holzschnittmustermanier der alten Italiener oder mit den ungebrochenen Farben des großen Spaniers zu behandeln. Hier sind alle jene Mittel höchst individueller Vortragsweise nicht nur erlaubt, sondern sogar gefordert, wie sie einigen der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [XV/0015]
durch den Eigensinn der Umstände und Charaktere und eine durchaus nicht allgemein gültige Lösung der dramatischen Behandlung entziehen, sittliche Zartheit oder Größe, die zu ihrem Verständniß der sorgfältigsten Einzelzüge bedarf, alles Einzige und Eigenartige, selbst Grillige und bis an die Grenze des Häßlichen sich Verirrende ist von der Novelle dichterisch zu verwerthen. Denn es bleibt ihr von ihrem Ursprung her ein gewisses Schutzrecht für das bloß Thatsächliche, das schlechthin Erlebte, und für den oft nicht ganz reinlichen Erdenrest der Wirklichkeit kann sie vollauf entschädigen, theils durch die harmlose Lebendigkeit des Tons, indem sie Stoffe von geringem dichterischen Gehalt auch in anspruchsloserer Form, ohne den vollen Nachdruck ihrer Kunstmittel überliefert, theils durch die unerschöpfliche Bedeutsamkeit des Stoffes selbst, da der Mensch auch in seinen Unzulänglichkeiten dem Menschen doch immer das Interessanteste bleibt.
Thöricht wäre daher die Forderung, auch Probleme der oben bezeichneten Art, die oft nur durch die zartesten Schattirungen, reizendes Helldunkel oder eine photographische Deutlichkeit unser Interesse gewinnen, in jener naiven Holzschnittmustermanier der alten Italiener oder mit den ungebrochenen Farben des großen Spaniers zu behandeln. Hier sind alle jene Mittel höchst individueller Vortragsweise nicht nur erlaubt, sondern sogar gefordert, wie sie einigen der
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