Hilscher, Paul Christian: Nachricht von der aus ihrem Grabe wieder auferstandenen Goldschmids-Frau in Dreßden. Dresden, 1723.Gewohnheit, Unbeqvemligkeit, Boßh. nicht bekant ist, so begraben sie ihn in derMeynung/ daß er wahrhafftig dahin sep. Bey etlichen bringt es die Gewohnheit also mit sich. Denn, da es so eingeführet ist, daß man die welche als Todte an zusehen seyn, nach Ver- lauff gewisser Stunden unter die Erde schaf- fe, achten sie es vor eine Neuerung, wenn sie dagegen| handeln solten. Bey etlichen giebt hiezu die Unbequemlichkeit eine Leiche zu halten, Anlaß. Denn, indem sie keinen gelege- nen Platz haben, wo sie dieselbige, bis nach Verlauff etlicher Tage hinstellen könten, son- dern sie in ihrer Kammer, oder wol gar in der Stube, behalten müssen, eilen sie derselbigen ie eher ie besser loß zu werden, und begraben offt vor eine Leiche, was noch erst zur Leiche werden soll. Bey etlichen möchte auch wol einige Boßheit mit unterlauffen. Denn, weil sie des andern gerne wären loß gewesen, nehmen sie die Gelegenheit dazu sehr wohl in acht, und aus Besorgniß, daß, wenn etwa noch die Seele bey ihm wäre, derselbige sich in die Länge wiederum erholen möchte, wol- len sie solches durch ein geschwindes Begräb- niß verhindern, und machen, daß er des Auff- stehens vergessen müsse. §. |9. Dieses aber, ob es auch aus Unver- stand B
Gewohnheit, Unbeqvemligkeit, Boßh. nicht bekant iſt, ſo begraben ſie ihn in derMeynung/ daß er wahrhafftig dahin ſep. Bey etlichen bringt es die Gewohnheit alſo mit ſich. Denn, da es ſo eingefuͤhret iſt, daß man die welche als Todte an zuſehen ſeyn, nach Ver- lauff gewiſſer Stunden unter die Erde ſchaf- fe, achten ſie es vor eine Neuerung, wenn ſie dagegen| handeln ſolten. Bey etlichen giebt hiezu die Unbequemlichkeit eine Leiche zu halten, Anlaß. Denn, indem ſie keinen gelege- nen Platz haben, wo ſie dieſelbige, bis nach Verlauff etlicher Tage hinſtellen koͤnten, ſon- dern ſie in ihrer Kammer, oder wol gar in der Stube, behalten muͤſſen, eilen ſie derſelbigen ie eher ie beſſer loß zu werden, und begraben offt vor eine Leiche, was noch erſt zur Leiche werden ſoll. Bey etlichen moͤchte auch wol einige Boßheit mit unterlauffen. Denn, weil ſie des andern gerne waͤren loß geweſen, nehmen ſie die Gelegenheit dazu ſehr wohl in acht, und aus Beſorgniß, daß, wenn etwa noch die Seele bey ihm waͤre, derſelbige ſich in die Laͤnge wiederum erholen moͤchte, wol- len ſie ſolches durch ein geſchwindes Begraͤb- niß verhindern, und machen, daß er des Auff- ſtehens vergeſſen muͤſſe. §. |9. Dieſes aber, ob es auch aus Unver- ſtand B
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Gewohnheit, Unbeqvemligkeit, Boßh.
nicht bekant iſt, ſo begraben ſie ihn in der
Meynung/ daß er wahrhafftig dahin ſep. Bey
etlichen bringt es die Gewohnheit alſo mit
ſich. Denn, da es ſo eingefuͤhret iſt, daß man die
welche als Todte an zuſehen ſeyn, nach Ver-
lauff gewiſſer Stunden unter die Erde ſchaf-
fe, achten ſie es vor eine Neuerung, wenn ſie
dagegen| handeln ſolten. Bey etlichen giebt
hiezu die Unbequemlichkeit eine Leiche zu
halten, Anlaß. Denn, indem ſie keinen gelege-
nen Platz haben, wo ſie dieſelbige, bis nach
Verlauff etlicher Tage hinſtellen koͤnten, ſon-
dern ſie in ihrer Kammer, oder wol gar in der
Stube, behalten muͤſſen, eilen ſie derſelbigen
ie eher ie beſſer loß zu werden, und begraben
offt vor eine Leiche, was noch erſt zur Leiche
werden ſoll. Bey etlichen moͤchte auch wol
einige Boßheit mit unterlauffen. Denn,
weil ſie des andern gerne waͤren loß geweſen,
nehmen ſie die Gelegenheit dazu ſehr wohl in
acht, und aus Beſorgniß, daß, wenn etwa
noch die Seele bey ihm waͤre, derſelbige ſich
in die Laͤnge wiederum erholen moͤchte, wol-
len ſie ſolches durch ein geſchwindes Begraͤb-
niß verhindern, und machen, daß er des Auff-
ſtehens vergeſſen muͤſſe.
§. |9. Dieſes aber, ob es auch aus Unver-
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