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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.

Die Geschichte spricht also unseres Erachtens gegen
eine Möglichkeit einer rechtsgleichen Stellung beider Ge-
schlechter nicht, sondern nur gegen die Gebräuchlichkeit,
im höchsten Falle gegen die durchschnittliche Zweckmässigkeit
einer ganz allgemeinen Rechtsgleichheit und der Beseiti-
gung aller Ausnahmen davon.

Es machen daher auf uns auch die physiologischen
Argumente, die besonders aus einer angeblichen, oder wirk-
lichen, geringeren Grösse oder Schwere des Gehirns her-
genommen zu werden pflegen, nur einen sekundären Eindruck.
Der Beweis einer durchschnittlichen thatsächlichen Inferiorität
des weiblichen Geschlechtes müsste unseres Erachtens durch
historische, oder heutige Erfahrungen geführt werden und
auch diese wären nicht einmal ganz konkludent, denn der
Besitz eines Rechtes erzieht und befähigt auch zum Gebrauch
desselben und Niemand kann als in dieser Hinsicht unbefähigt
erklärt werden, bei welchem man den Versuch noch nicht
gemacht, vielmehr sehr sorgfältig ausgeschlossen hat. Es ist
das die ungerechte Argumentation, welche die sogenannten
"herrschenden" Völker seit jeher gegen die von ihnen Unter-
drückten angewendet haben; sie liessen es niemals auf die
Probe ankommen, sondern bestraften jede dahingehende
Aspiration bereits als ein Majestätsverbrechen. Auf diese
Weise ist sogar eine Ungleichheit mancher ganz ähnlicher,

ohne Auszeichnung, Jeanne d'Arc, Leonore Prohasea, unsere brave
Frau Oberstin Engel sind klassische Beispiele dafür. Sie kommen
merkwürdigerweise sogar in den ersten Eroberungszügen des Islam
vor. Vgl. Gibbon, decline and fall, Cap. 51, Episode aus der Schlacht
am Jernuck 636, unmittelbar vor der Eroberung Jerusalems Es
wäre auch, abgesehen davon, ganz denkbar Frauen bei der Sanität
und Verwaltung zu verwenden und sie würden ohne Zweifel einen
grossen Schritt zur Rechtsgleichheit vorwärts machen, wenn dies
geschähe.
Frauenstimmrecht.

Die Geschichte spricht also unseres Erachtens gegen
eine Möglichkeit einer rechtsgleichen Stellung beider Ge-
schlechter nicht, sondern nur gegen die Gebräuchlichkeit,
im höchsten Falle gegen die durchschnittliche Zweckmässigkeit
einer ganz allgemeinen Rechtsgleichheit und der Beseiti-
gung aller Ausnahmen davon.

Es machen daher auf uns auch die physiologischen
Argumente, die besonders aus einer angeblichen, oder wirk-
lichen, geringeren Grösse oder Schwere des Gehirns her-
genommen zu werden pflegen, nur einen sekundären Eindruck.
Der Beweis einer durchschnittlichen thatsächlichen Inferiorität
des weiblichen Geschlechtes müsste unseres Erachtens durch
historische, oder heutige Erfahrungen geführt werden und
auch diese wären nicht einmal ganz konkludent, denn der
Besitz eines Rechtes erzieht und befähigt auch zum Gebrauch
desselben und Niemand kann als in dieser Hinsicht unbefähigt
erklärt werden, bei welchem man den Versuch noch nicht
gemacht, vielmehr sehr sorgfältig ausgeschlossen hat. Es ist
das die ungerechte Argumentation, welche die sogenannten
«herrschenden» Völker seit jeher gegen die von ihnen Unter-
drückten angewendet haben; sie liessen es niemals auf die
Probe ankommen, sondern bestraften jede dahingehende
Aspiration bereits als ein Majestätsverbrechen. Auf diese
Weise ist sogar eine Ungleichheit mancher ganz ähnlicher,

ohne Auszeichnung, Jeanne d'Arc, Leonore Prohasea, unsere brave
Frau Oberstin Engel sind klassische Beispiele dafür. Sie kommen
merkwürdigerweise sogar in den ersten Eroberungszügen des Islam
vor. Vgl. Gibbon, decline and fall, Cap. 51, Episode aus der Schlacht
am Jernuck 636, unmittelbar vor der Eroberung Jerusalems Es
wäre auch, abgesehen davon, ganz denkbar Frauen bei der Sanität
und Verwaltung zu verwenden und sie würden ohne Zweifel einen
grossen Schritt zur Rechtsgleichheit vorwärts machen, wenn dies
geschähe.
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[250/0010] Frauenstimmrecht. Die Geschichte spricht also unseres Erachtens gegen eine Möglichkeit einer rechtsgleichen Stellung beider Ge- schlechter nicht, sondern nur gegen die Gebräuchlichkeit, im höchsten Falle gegen die durchschnittliche Zweckmässigkeit einer ganz allgemeinen Rechtsgleichheit und der Beseiti- gung aller Ausnahmen davon. Es machen daher auf uns auch die physiologischen Argumente, die besonders aus einer angeblichen, oder wirk- lichen, geringeren Grösse oder Schwere des Gehirns her- genommen zu werden pflegen, nur einen sekundären Eindruck. Der Beweis einer durchschnittlichen thatsächlichen Inferiorität des weiblichen Geschlechtes müsste unseres Erachtens durch historische, oder heutige Erfahrungen geführt werden und auch diese wären nicht einmal ganz konkludent, denn der Besitz eines Rechtes erzieht und befähigt auch zum Gebrauch desselben und Niemand kann als in dieser Hinsicht unbefähigt erklärt werden, bei welchem man den Versuch noch nicht gemacht, vielmehr sehr sorgfältig ausgeschlossen hat. Es ist das die ungerechte Argumentation, welche die sogenannten «herrschenden» Völker seit jeher gegen die von ihnen Unter- drückten angewendet haben; sie liessen es niemals auf die Probe ankommen, sondern bestraften jede dahingehende Aspiration bereits als ein Majestätsverbrechen. Auf diese Weise ist sogar eine Ungleichheit mancher ganz ähnlicher, 2) 2) ohne Auszeichnung, Jeanne d'Arc, Leonore Prohasea, unsere brave Frau Oberstin Engel sind klassische Beispiele dafür. Sie kommen merkwürdigerweise sogar in den ersten Eroberungszügen des Islam vor. Vgl. Gibbon, decline and fall, Cap. 51, Episode aus der Schlacht am Jernuck 636, unmittelbar vor der Eroberung Jerusalems Es wäre auch, abgesehen davon, ganz denkbar Frauen bei der Sanität und Verwaltung zu verwenden und sie würden ohne Zweifel einen grossen Schritt zur Rechtsgleichheit vorwärts machen, wenn dies geschähe.

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/10>, abgerufen am 21.11.2024.