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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
zugleich das sogenannte salische Gesetz besteht, die Möglichkeit
für die Frauen übrig geblieben die höchste Stellung im Staate ein-
zunehmen, ohne dass daraus jemals sehr erhebliche Nachtheile
für dessen Wohlergehen ersichtlich geworden sind1).

Auch bei den Römern und alten Deutschen galten die
Frauen im Ganzen viel, und hatten mitunter als Priesterinnen
oder Prophetinnen sogar eine bevorrechtete Stellung und in Be-
zug auf das Vermögensrecht bei den ersteren eine bessere, als
sie sie jetzt durchschnittlich haben. Nur waren eben diese
Gemeinwesen so sehr auf Krieg und Wehrfähigkeit gegründet,
dass dem körperlich schwächeren und dazu weniger veran-
lagten Geschlechte im Ganzen naturgemäss eine untergeordnete
Stellung zukam. Die geringere Körperkraft, vielleicht auch
der damit in roheren Zeitaltern unmittelbar verbundene grössere
Grad von Geduld, Unterwürfigkeit und Idealismus bei dem
weiblichen Geschlecht erscheint uns als der wahrscheinliche
historische Hauptgrund der ungleichen Rechtsstellung, der
theilweise ja noch jetzt in dem Ausschluss des weiblichen Ge-
schlechts von der allgemeinen Wehrpflicht in allen Staaten
stattfindet, wo diese besteht2).

1) Wir brauchen hier bloss an Elisabeth von England, Maria
Theresia und an die jetzigen Königinnen von England, Spanien und
Holland zu erinnern, die ebensogut regieren, als alle ihre dermaligen
männlichen Kollegen, und bei denen auch die Meinung eines älteren
Schriftstellers nicht zutrifft, regierende Frauen liessen in Wirklichkeit
stets Männer regieren und umgekehrt. Im Gegentheil die Königin
von England wenigstens ist eine "kwaie fru" nach Ansicht des Prä-
sidenten Krüger, die ihre grosse Stellung stets gehörig zu behaupten
gewusst hat. In kleineren Staatenverhältnissen und bei vorüber-
gehenden Vormundschaftsregierungen sind solche Fälle von guter
weiblicher Staatsregierung noch öfters und auch in neuerer Zeit
vorgekommen.
2) Absolut nöthig wäre ein solcher Ausschluss ja auch nicht, es
haben oft schon Frauen freiwillig im Kriege mitgefochten und nicht

Frauenstimmrecht.
zugleich das sogenannte salische Gesetz besteht, die Möglichkeit
für die Frauen übrig geblieben die höchste Stellung im Staate ein-
zunehmen, ohne dass daraus jemals sehr erhebliche Nachtheile
für dessen Wohlergehen ersichtlich geworden sind1).

Auch bei den Römern und alten Deutschen galten die
Frauen im Ganzen viel, und hatten mitunter als Priesterinnen
oder Prophetinnen sogar eine bevorrechtete Stellung und in Be-
zug auf das Vermögensrecht bei den ersteren eine bessere, als
sie sie jetzt durchschnittlich haben. Nur waren eben diese
Gemeinwesen so sehr auf Krieg und Wehrfähigkeit gegründet,
dass dem körperlich schwächeren und dazu weniger veran-
lagten Geschlechte im Ganzen naturgemäss eine untergeordnete
Stellung zukam. Die geringere Körperkraft, vielleicht auch
der damit in roheren Zeitaltern unmittelbar verbundene grössere
Grad von Geduld, Unterwürfigkeit und Idealismus bei dem
weiblichen Geschlecht erscheint uns als der wahrscheinliche
historische Hauptgrund der ungleichen Rechtsstellung, der
theilweise ja noch jetzt in dem Ausschluss des weiblichen Ge-
schlechts von der allgemeinen Wehrpflicht in allen Staaten
stattfindet, wo diese besteht2).

1) Wir brauchen hier bloss an Elisabeth von England, Maria
Theresia und an die jetzigen Königinnen von England, Spanien und
Holland zu erinnern, die ebensogut regieren, als alle ihre dermaligen
männlichen Kollegen, und bei denen auch die Meinung eines älteren
Schriftstellers nicht zutrifft, regierende Frauen liessen in Wirklichkeit
stets Männer regieren und umgekehrt. Im Gegentheil die Königin
von England wenigstens ist eine «kwaie fru» nach Ansicht des Prä-
sidenten Krüger, die ihre grosse Stellung stets gehörig zu behaupten
gewusst hat. In kleineren Staatenverhältnissen und bei vorüber-
gehenden Vormundschaftsregierungen sind solche Fälle von guter
weiblicher Staatsregierung noch öfters und auch in neuerer Zeit
vorgekommen.
2) Absolut nöthig wäre ein solcher Ausschluss ja auch nicht, es
haben oft schon Frauen freiwillig im Kriege mitgefochten und nicht
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[249/0009] Frauenstimmrecht. zugleich das sogenannte salische Gesetz besteht, die Möglichkeit für die Frauen übrig geblieben die höchste Stellung im Staate ein- zunehmen, ohne dass daraus jemals sehr erhebliche Nachtheile für dessen Wohlergehen ersichtlich geworden sind 1). Auch bei den Römern und alten Deutschen galten die Frauen im Ganzen viel, und hatten mitunter als Priesterinnen oder Prophetinnen sogar eine bevorrechtete Stellung und in Be- zug auf das Vermögensrecht bei den ersteren eine bessere, als sie sie jetzt durchschnittlich haben. Nur waren eben diese Gemeinwesen so sehr auf Krieg und Wehrfähigkeit gegründet, dass dem körperlich schwächeren und dazu weniger veran- lagten Geschlechte im Ganzen naturgemäss eine untergeordnete Stellung zukam. Die geringere Körperkraft, vielleicht auch der damit in roheren Zeitaltern unmittelbar verbundene grössere Grad von Geduld, Unterwürfigkeit und Idealismus bei dem weiblichen Geschlecht erscheint uns als der wahrscheinliche historische Hauptgrund der ungleichen Rechtsstellung, der theilweise ja noch jetzt in dem Ausschluss des weiblichen Ge- schlechts von der allgemeinen Wehrpflicht in allen Staaten stattfindet, wo diese besteht 2). 1) Wir brauchen hier bloss an Elisabeth von England, Maria Theresia und an die jetzigen Königinnen von England, Spanien und Holland zu erinnern, die ebensogut regieren, als alle ihre dermaligen männlichen Kollegen, und bei denen auch die Meinung eines älteren Schriftstellers nicht zutrifft, regierende Frauen liessen in Wirklichkeit stets Männer regieren und umgekehrt. Im Gegentheil die Königin von England wenigstens ist eine «kwaie fru» nach Ansicht des Prä- sidenten Krüger, die ihre grosse Stellung stets gehörig zu behaupten gewusst hat. In kleineren Staatenverhältnissen und bei vorüber- gehenden Vormundschaftsregierungen sind solche Fälle von guter weiblicher Staatsregierung noch öfters und auch in neuerer Zeit vorgekommen. 2) Absolut nöthig wäre ein solcher Ausschluss ja auch nicht, es haben oft schon Frauen freiwillig im Kriege mitgefochten und nicht

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/9>, abgerufen am 28.04.2024.