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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
selbst von solchen Politikern nicht, die sich für viel geringere
und jedenfalls viel weniger wirksame Stimmrechtsfragen, wie
zum Beispiel für die Proportional-Vertretung, lebhaft zu be-
geistern vermögen. Die Mehrzahl huldigte bisher offenbar
dem alten, so viel bekannt zwar nicht bei uns entstandenen
Sprichwort:

"Wo die Landsknecht sieden und braten,
Pfaffen in weltliehen Dingen rathen
Und Weiber sitzen im Regiment,
Da nimmt es selten ein gutes End".

Dennoch steht die Schweiz dem Frauenstimmrecht näher,
als die anderen Staaten Europas ausser England. Nicht
allein der obigen unzweifelhaften Eigenschaften ihrer Frauen
wegen, die eigentlich nur selbst recht ernstlich dieses Ziel
anzustreben brauchten, um es bei ihren selten ganz unge-
fügigen männlichen Angehörigen in den Vordergrund der
Diskussion zu rücken, sondern auch desshalb, weil sie das
wichtigere Recht, das passive Wahlrecht, schon vielfach
gewohnheitsmässig besitzen, ohne dass darüber der Staat im
Geringsten aus den Fugen gekommen ist. Denn nicht allein
sind die Frauen nun ziemlich allgemein zur Theilnahme an
den höheren Studien in Gymnasien und Universitäten zuge-
lassen, welche die natürliche Vorbedingung und Einleitung
zu dieser Frage der Gleichberechtigung bilden, sondern sie
sind auch schon jetzt zu manchen Schul-, Staats-, Gemeinde-
und Verkehrsbeamtungen wählbar, die sicherlich grössere An-
forderungen an Kenntnisse und Charakter stellen, als die

felden wäre vielleicht die Reformation in Bern nicht so rasch vor
sich gegangen. Ein etwas komisches Beispiel von Frauenstimmrecht
war das Auftreten der Generalin Reding auf der Schwyzer-Lands-
gemeinde. ("Betsy Schwig!")

Frauenstimmrecht.
selbst von solchen Politikern nicht, die sich für viel geringere
und jedenfalls viel weniger wirksame Stimmrechtsfragen, wie
zum Beispiel für die Proportional-Vertretung, lebhaft zu be-
geistern vermögen. Die Mehrzahl huldigte bisher offenbar
dem alten, so viel bekannt zwar nicht bei uns entstandenen
Sprichwort:

«Wo die Landsknecht sieden und braten,
Pfaffen in weltliehen Dingen rathen
Und Weiber sitzen im Regiment,
Da nimmt es selten ein gutes End».

Dennoch steht die Schweiz dem Frauenstimmrecht näher,
als die anderen Staaten Europas ausser England. Nicht
allein der obigen unzweifelhaften Eigenschaften ihrer Frauen
wegen, die eigentlich nur selbst recht ernstlich dieses Ziel
anzustreben brauchten, um es bei ihren selten ganz unge-
fügigen männlichen Angehörigen in den Vordergrund der
Diskussion zu rücken, sondern auch desshalb, weil sie das
wichtigere Recht, das passive Wahlrecht, schon vielfach
gewohnheitsmässig besitzen, ohne dass darüber der Staat im
Geringsten aus den Fugen gekommen ist. Denn nicht allein
sind die Frauen nun ziemlich allgemein zur Theilnahme an
den höheren Studien in Gymnasien und Universitäten zuge-
lassen, welche die natürliche Vorbedingung und Einleitung
zu dieser Frage der Gleichberechtigung bilden, sondern sie
sind auch schon jetzt zu manchen Schul-, Staats-, Gemeinde-
und Verkehrsbeamtungen wählbar, die sicherlich grössere An-
forderungen an Kenntnisse und Charakter stellen, als die

felden wäre vielleicht die Reformation in Bern nicht so rasch vor
sich gegangen. Ein etwas komisches Beispiel von Frauenstimmrecht
war das Auftreten der Generalin Reding auf der Schwyzer-Lands-
gemeinde. («Betsy Schwig!»)
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[267/0027] Frauenstimmrecht. selbst von solchen Politikern nicht, die sich für viel geringere und jedenfalls viel weniger wirksame Stimmrechtsfragen, wie zum Beispiel für die Proportional-Vertretung, lebhaft zu be- geistern vermögen. Die Mehrzahl huldigte bisher offenbar dem alten, so viel bekannt zwar nicht bei uns entstandenen Sprichwort: «Wo die Landsknecht sieden und braten, Pfaffen in weltliehen Dingen rathen Und Weiber sitzen im Regiment, Da nimmt es selten ein gutes End». Dennoch steht die Schweiz dem Frauenstimmrecht näher, als die anderen Staaten Europas ausser England. Nicht allein der obigen unzweifelhaften Eigenschaften ihrer Frauen wegen, die eigentlich nur selbst recht ernstlich dieses Ziel anzustreben brauchten, um es bei ihren selten ganz unge- fügigen männlichen Angehörigen in den Vordergrund der Diskussion zu rücken, sondern auch desshalb, weil sie das wichtigere Recht, das passive Wahlrecht, schon vielfach gewohnheitsmässig besitzen, ohne dass darüber der Staat im Geringsten aus den Fugen gekommen ist. Denn nicht allein sind die Frauen nun ziemlich allgemein zur Theilnahme an den höheren Studien in Gymnasien und Universitäten zuge- lassen, welche die natürliche Vorbedingung und Einleitung zu dieser Frage der Gleichberechtigung bilden, sondern sie sind auch schon jetzt zu manchen Schul-, Staats-, Gemeinde- und Verkehrsbeamtungen wählbar, die sicherlich grössere An- forderungen an Kenntnisse und Charakter stellen, als die 1) 1) felden wäre vielleicht die Reformation in Bern nicht so rasch vor sich gegangen. Ein etwas komisches Beispiel von Frauenstimmrecht war das Auftreten der Generalin Reding auf der Schwyzer-Lands- gemeinde. («Betsy Schwig!»)

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/27>, abgerufen am 27.04.2024.