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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.

Aus den anderen Ländern erfahren wir einstweilen durch
den Premierminister von Neu-Seeland, Seddon, dass das
Frauenstimmrecht bisher keine üblen Früchte gezeitigt hat.
Bei der letzten Wahl haben 90% aller stimmberechtigten
Frauen von ihrem Rechte Gebrauch gemacht. Die Konser-
vativen in der Kolonie behaupten, dass das jetzige Parlament
besser ist, als die letzten vier oder fünf. Die Befürchtung,
dass den Frauen das "ewig Weibliche" verloren gehen würde,
wenn sie sich an der Politik betheiligten, und dass sie dann
keinen Sinn mehr für Häuslichkeit und Familie hätten, hat sich
bisher nicht erfüllt. Im Gegentheil, es haben die Frauen durch
ihren politischen Einfluss "die Herren der Schöpfung" gehoben.
Die Wahlen verlaufen jetzt viel anständiger. Die Leute be-
nehmen sich besser. Alles geht viel stiller und ehrbarer zu.
Dessenungeachtet besteht das Frauenstimmrecht einstweilen
nur in einzelnen Staaten von Australien, in andern nicht.

In England ist die allgemeine Meinung die, welche
sogar Gegner theilen, dass dasselbe in Schul- und lokalen
Angelegenheiten gute Wirkungen gezeigt habe. Es denkt
daher dort Niemand daran, es wieder zu beseitigen, soweit
es besteht, wenn auch an eine vollständige Einführung noch
nicht zu denken ist.

Es ist anzunehmen, dass das Frauenstimmrecht in
Amerika, Australien und England einen dauernden Bestandtheil
der Verfassung, wenigstens in beschränktem Massstab, für ge-
wisse Gegenstände der Gesetzgebung und Verwaltung, bilden
wird. Ferner ist gewiss, dass das Frauenstudium und damit
auch die Zulassung der Frauen zu gelehrten und anderen
Berufsarten zunehmen wird, womit ihre Fähigkeit über
öffentliche Angelegenheiten abzustimmen und öffentliche

Frauenstimmrecht.

Aus den anderen Ländern erfahren wir einstweilen durch
den Premierminister von Neu-Seeland, Seddon, dass das
Frauenstimmrecht bisher keine üblen Früchte gezeitigt hat.
Bei der letzten Wahl haben 90% aller stimmberechtigten
Frauen von ihrem Rechte Gebrauch gemacht. Die Konser-
vativen in der Kolonie behaupten, dass das jetzige Parlament
besser ist, als die letzten vier oder fünf. Die Befürchtung,
dass den Frauen das «ewig Weibliche» verloren gehen würde,
wenn sie sich an der Politik betheiligten, und dass sie dann
keinen Sinn mehr für Häuslichkeit und Familie hätten, hat sich
bisher nicht erfüllt. Im Gegentheil, es haben die Frauen durch
ihren politischen Einfluss «die Herren der Schöpfung» gehoben.
Die Wahlen verlaufen jetzt viel anständiger. Die Leute be-
nehmen sich besser. Alles geht viel stiller und ehrbarer zu.
Dessenungeachtet besteht das Frauenstimmrecht einstweilen
nur in einzelnen Staaten von Australien, in andern nicht.

In England ist die allgemeine Meinung die, welche
sogar Gegner theilen, dass dasselbe in Schul- und lokalen
Angelegenheiten gute Wirkungen gezeigt habe. Es denkt
daher dort Niemand daran, es wieder zu beseitigen, soweit
es besteht, wenn auch an eine vollständige Einführung noch
nicht zu denken ist.

Es ist anzunehmen, dass das Frauenstimmrecht in
Amerika, Australien und England einen dauernden Bestandtheil
der Verfassung, wenigstens in beschränktem Massstab, für ge-
wisse Gegenstände der Gesetzgebung und Verwaltung, bilden
wird. Ferner ist gewiss, dass das Frauenstudium und damit
auch die Zulassung der Frauen zu gelehrten und anderen
Berufsarten zunehmen wird, womit ihre Fähigkeit über
öffentliche Angelegenheiten abzustimmen und öffentliche

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[276/0036] Frauenstimmrecht. Aus den anderen Ländern erfahren wir einstweilen durch den Premierminister von Neu-Seeland, Seddon, dass das Frauenstimmrecht bisher keine üblen Früchte gezeitigt hat. Bei der letzten Wahl haben 90% aller stimmberechtigten Frauen von ihrem Rechte Gebrauch gemacht. Die Konser- vativen in der Kolonie behaupten, dass das jetzige Parlament besser ist, als die letzten vier oder fünf. Die Befürchtung, dass den Frauen das «ewig Weibliche» verloren gehen würde, wenn sie sich an der Politik betheiligten, und dass sie dann keinen Sinn mehr für Häuslichkeit und Familie hätten, hat sich bisher nicht erfüllt. Im Gegentheil, es haben die Frauen durch ihren politischen Einfluss «die Herren der Schöpfung» gehoben. Die Wahlen verlaufen jetzt viel anständiger. Die Leute be- nehmen sich besser. Alles geht viel stiller und ehrbarer zu. Dessenungeachtet besteht das Frauenstimmrecht einstweilen nur in einzelnen Staaten von Australien, in andern nicht. In England ist die allgemeine Meinung die, welche sogar Gegner theilen, dass dasselbe in Schul- und lokalen Angelegenheiten gute Wirkungen gezeigt habe. Es denkt daher dort Niemand daran, es wieder zu beseitigen, soweit es besteht, wenn auch an eine vollständige Einführung noch nicht zu denken ist. Es ist anzunehmen, dass das Frauenstimmrecht in Amerika, Australien und England einen dauernden Bestandtheil der Verfassung, wenigstens in beschränktem Massstab, für ge- wisse Gegenstände der Gesetzgebung und Verwaltung, bilden wird. Ferner ist gewiss, dass das Frauenstudium und damit auch die Zulassung der Frauen zu gelehrten und anderen Berufsarten zunehmen wird, womit ihre Fähigkeit über öffentliche Angelegenheiten abzustimmen und öffentliche

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/36>, abgerufen am 27.04.2024.