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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Frauenstimmrecht.
die nicht durch richterlichen Spruch die Verfügung über ihr
eigenes Vermögen verloren haben."

In dem finnländischen Landtag sprach sich im
Jahre 1889 der Bischof Alopeus, bei Anlass der Frage über
Zulassung der Frauen zum akademischen Studium, dahin aus,
es sei ungerecht, dass man dem Weibe, nachdem die Kirche
demselben die religiöse Offenbarung zu Theil werden lässt,
die wissenschaftliche Offenbarung vorenthalte. Die Staats-
verwaltung ferner dürfte durch die Aufnahme der Frauen in
den Beamtenstand nur gewinnen, und zwar u. A. auch darum,
weil die Administration dadurch mehr ruhige Elemente
besitzen würde; die Frau sei nicht allein fleissiger, sondern
auch bescheidener, geduldiger und duldsamer. In sozialer
Beziehung endlich könne die Erweiterung der Erwerbsfähig-
keit des Weibes, besonders in Rücksicht auf die unverhei-
rathet Bleibenden, nur vom Guten sein. Aber auch als Gattin
und Mutter würde eine höher gebildete Frau nicht Zerwürfniss
in die Familie bringen, sondern im Gegentheil nur Festigung
und Steigerung der geistigen und sittlichen Bande.

In Norwegen stimmten über die Einführung des so-
genannten Gothenburger-Systems der Wirthschaftslizenzen die
25 Jahre alten Frauen ebenfalls mit und es wird angenom-
men, dass durch diesen Einfluss Norwegen vor den Ver-
wüstungen der zunehmenden Trunksucht gerettet worden sei.

Im Ganzen lässt sich vielleicht die Meinung vertreten,
dass durch die Einführung des allgemeinen Frauenstimm-
rechts der konservative Einfluss im besten Sinne
verstärkt werden würde. Die Frauen sind von Natur kon-
servativ
, sie halten am treusten und am längsten an dem-
jenigen fest, was sie einmal als wahr und gut erkannt haben;
sie haben aber dabei auch eine ideale und selbst eine heroische

Frauenstimmrecht.
die nicht durch richterlichen Spruch die Verfügung über ihr
eigenes Vermögen verloren haben.»

In dem finnländischen Landtag sprach sich im
Jahre 1889 der Bischof Alopeus, bei Anlass der Frage über
Zulassung der Frauen zum akademischen Studium, dahin aus,
es sei ungerecht, dass man dem Weibe, nachdem die Kirche
demselben die religiöse Offenbarung zu Theil werden lässt,
die wissenschaftliche Offenbarung vorenthalte. Die Staats-
verwaltung ferner dürfte durch die Aufnahme der Frauen in
den Beamtenstand nur gewinnen, und zwar u. A. auch darum,
weil die Administration dadurch mehr ruhige Elemente
besitzen würde; die Frau sei nicht allein fleissiger, sondern
auch bescheidener, geduldiger und duldsamer. In sozialer
Beziehung endlich könne die Erweiterung der Erwerbsfähig-
keit des Weibes, besonders in Rücksicht auf die unverhei-
rathet Bleibenden, nur vom Guten sein. Aber auch als Gattin
und Mutter würde eine höher gebildete Frau nicht Zerwürfniss
in die Familie bringen, sondern im Gegentheil nur Festigung
und Steigerung der geistigen und sittlichen Bande.

In Norwegen stimmten über die Einführung des so-
genannten Gothenburger-Systems der Wirthschaftslizenzen die
25 Jahre alten Frauen ebenfalls mit und es wird angenom-
men, dass durch diesen Einfluss Norwegen vor den Ver-
wüstungen der zunehmenden Trunksucht gerettet worden sei.

Im Ganzen lässt sich vielleicht die Meinung vertreten,
dass durch die Einführung des allgemeinen Frauenstimm-
rechts der konservative Einfluss im besten Sinne
verstärkt werden würde. Die Frauen sind von Natur kon-
servativ
, sie halten am treusten und am längsten an dem-
jenigen fest, was sie einmal als wahr und gut erkannt haben;
sie haben aber dabei auch eine ideale und selbst eine heroische

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[281/0041] Frauenstimmrecht. die nicht durch richterlichen Spruch die Verfügung über ihr eigenes Vermögen verloren haben.» In dem finnländischen Landtag sprach sich im Jahre 1889 der Bischof Alopeus, bei Anlass der Frage über Zulassung der Frauen zum akademischen Studium, dahin aus, es sei ungerecht, dass man dem Weibe, nachdem die Kirche demselben die religiöse Offenbarung zu Theil werden lässt, die wissenschaftliche Offenbarung vorenthalte. Die Staats- verwaltung ferner dürfte durch die Aufnahme der Frauen in den Beamtenstand nur gewinnen, und zwar u. A. auch darum, weil die Administration dadurch mehr ruhige Elemente besitzen würde; die Frau sei nicht allein fleissiger, sondern auch bescheidener, geduldiger und duldsamer. In sozialer Beziehung endlich könne die Erweiterung der Erwerbsfähig- keit des Weibes, besonders in Rücksicht auf die unverhei- rathet Bleibenden, nur vom Guten sein. Aber auch als Gattin und Mutter würde eine höher gebildete Frau nicht Zerwürfniss in die Familie bringen, sondern im Gegentheil nur Festigung und Steigerung der geistigen und sittlichen Bande. In Norwegen stimmten über die Einführung des so- genannten Gothenburger-Systems der Wirthschaftslizenzen die 25 Jahre alten Frauen ebenfalls mit und es wird angenom- men, dass durch diesen Einfluss Norwegen vor den Ver- wüstungen der zunehmenden Trunksucht gerettet worden sei. Im Ganzen lässt sich vielleicht die Meinung vertreten, dass durch die Einführung des allgemeinen Frauenstimm- rechts der konservative Einfluss im besten Sinne verstärkt werden würde. Die Frauen sind von Natur kon- servativ, sie halten am treusten und am längsten an dem- jenigen fest, was sie einmal als wahr und gut erkannt haben; sie haben aber dabei auch eine ideale und selbst eine heroische

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/41>, abgerufen am 28.04.2024.