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Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897.

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Ueber die sogenannte "Frauenfrage" im Allgemeinen ist,
in jüngster Zeit namentlich, eher zu viel, als zu wenig, ganz
besonders von den Frauen selbst, geschrieben worden. Der
menschliche Geist im einzelnen Individuum und ebenso in der
Gesammtheit und in einer bestimmten Zeitperiode hat eben nur
eine begränzte Aufnahmsfähigkeit und manche Fragen ver-
lieren an aktueller Bedeutung, man möchte sagen an Perkus-
sionskraft, wenn sie gar zu oft und in unausgesetzter Wieder-
holung der gleichen Argumente behandelt werden1).

Wir fassen daher die Frage enger, und an demjenigen
Punkte an, auf den es unseres Erachtens, wenigstens in
unserem Lande, wesentlich ankommt, wenn etwas Reelles
aus der Diskussion hervorgehen soll, und schicken nur einige
wenige allgemeinere Bemerkungen voraus, die zur Orientirung

1) Solche Beispiele sind die Alkoholfrage, die Friedensfrage,
die christlich-soziale Bewegung. Man muss die besten Dinge, wenn
sie einmal kräftig angeregt sind, zuweilen auch wieder ein wenig
ruhen lassen und nicht immer mit den gleichen Worten darauf
lostrommeln. Das ermüdet die bereits hinreichend überzeugten
Anhänger einer Sache und macht die Nichtanhänger taub, sie werden
des beständigen Lärmens endlich gewohnt. Es ist auch bei der
Selbsterziehung des einzelnen Menschen so, er kann auch an sich
selbst nicht unausgesetzt und immer nach der gleichen Richtung hin
arbeiten, sondern muss sich zuweilen Ruhe und besonders Ab-
wechslung in dieser inneren Arbeit gönnen.

Ueber die sogenannte «Frauenfrage» im Allgemeinen ist,
in jüngster Zeit namentlich, eher zu viel, als zu wenig, ganz
besonders von den Frauen selbst, geschrieben worden. Der
menschliche Geist im einzelnen Individuum und ebenso in der
Gesammtheit und in einer bestimmten Zeitperiode hat eben nur
eine begränzte Aufnahmsfähigkeit und manche Fragen ver-
lieren an aktueller Bedeutung, man möchte sagen an Perkus-
sionskraft, wenn sie gar zu oft und in unausgesetzter Wieder-
holung der gleichen Argumente behandelt werden1).

Wir fassen daher die Frage enger, und an demjenigen
Punkte an, auf den es unseres Erachtens, wenigstens in
unserem Lande, wesentlich ankommt, wenn etwas Reelles
aus der Diskussion hervorgehen soll, und schicken nur einige
wenige allgemeinere Bemerkungen voraus, die zur Orientirung

1) Solche Beispiele sind die Alkoholfrage, die Friedensfrage,
die christlich-soziale Bewegung. Man muss die besten Dinge, wenn
sie einmal kräftig angeregt sind, zuweilen auch wieder ein wenig
ruhen lassen und nicht immer mit den gleichen Worten darauf
lostrommeln. Das ermüdet die bereits hinreichend überzeugten
Anhänger einer Sache und macht die Nichtanhänger taub, sie werden
des beständigen Lärmens endlich gewohnt. Es ist auch bei der
Selbsterziehung des einzelnen Menschen so, er kann auch an sich
selbst nicht unausgesetzt und immer nach der gleichen Richtung hin
arbeiten, sondern muss sich zuweilen Ruhe und besonders Ab-
wechslung in dieser inneren Arbeit gönnen.
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[[245]/0005] Ueber die sogenannte «Frauenfrage» im Allgemeinen ist, in jüngster Zeit namentlich, eher zu viel, als zu wenig, ganz besonders von den Frauen selbst, geschrieben worden. Der menschliche Geist im einzelnen Individuum und ebenso in der Gesammtheit und in einer bestimmten Zeitperiode hat eben nur eine begränzte Aufnahmsfähigkeit und manche Fragen ver- lieren an aktueller Bedeutung, man möchte sagen an Perkus- sionskraft, wenn sie gar zu oft und in unausgesetzter Wieder- holung der gleichen Argumente behandelt werden 1). Wir fassen daher die Frage enger, und an demjenigen Punkte an, auf den es unseres Erachtens, wenigstens in unserem Lande, wesentlich ankommt, wenn etwas Reelles aus der Diskussion hervorgehen soll, und schicken nur einige wenige allgemeinere Bemerkungen voraus, die zur Orientirung 1) Solche Beispiele sind die Alkoholfrage, die Friedensfrage, die christlich-soziale Bewegung. Man muss die besten Dinge, wenn sie einmal kräftig angeregt sind, zuweilen auch wieder ein wenig ruhen lassen und nicht immer mit den gleichen Worten darauf lostrommeln. Das ermüdet die bereits hinreichend überzeugten Anhänger einer Sache und macht die Nichtanhänger taub, sie werden des beständigen Lärmens endlich gewohnt. Es ist auch bei der Selbsterziehung des einzelnen Menschen so, er kann auch an sich selbst nicht unausgesetzt und immer nach der gleichen Richtung hin arbeiten, sondern muss sich zuweilen Ruhe und besonders Ab- wechslung in dieser inneren Arbeit gönnen.

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Zitationshilfe: Hilty, Carl: Frauenstimmrecht. In: Hilty, Carl (Hg.): Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern, 1897, S. [245]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilty_frauenstimmrecht_1897/5>, abgerufen am 27.04.2024.