Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

der Welt für eine Wissenschaft die nicht schon
in unsrer Seele läge? Nur Licht herein ge-
bracht und alles ist aufgedeckt -- der ge-
meinste Mensch begreift alles, noch mehr,
er weiß alles was du ihm sagest. Gieb ihm
den ersten Buchstaben er giebt dir den zwei-
ten. Wir lernen nichts was eigentliche Wis-
senschafft, bleibende Kenntnis himmlische
Wahrheit ist. Die Seele ist ein gestimmtes
Instrument das nur gespielt werden darf,
und wenn du die Kunstwörter von der Sache
abnimmst, diese Rüstung die einem kleinen
Körper das Ansehen eines Riesen giebt, findst
du nichts unerwartetes: wenn du die Tres-
sen vom Kleide absonderst, ist's dem gemein-
sten Mann als hätt' er sein eigen Kleid an.
Quantum est in rebus inane! Die Gelehrten
bemühen sich weislich dieses ihr Kunststück
nicht zu verrathen, weil sie damit auf die
Märkte ziehen und große bunte Zettel drucken
lassen um sich vor Geld zu zeigen.

Ists denn Wunder wenn der Gelehrte
dem Ungelehrten in der andern Welt nichts
nachgeben wird! O ihr Thoren die ihr glau-
ben kontet ein Gelehrter würde dort schon
eine höhere Classe der himmlischen Glücksee-
lichkeit betreten als ein Bauer. Der letzte

wird

der Welt fuͤr eine Wiſſenſchaft die nicht ſchon
in unſrer Seele laͤge? Nur Licht herein ge-
bracht und alles iſt aufgedeckt — der ge-
meinſte Menſch begreift alles, noch mehr,
er weiß alles was du ihm ſageſt. Gieb ihm
den erſten Buchſtaben er giebt dir den zwei-
ten. Wir lernen nichts was eigentliche Wiſ-
ſenſchafft, bleibende Kenntnis himmliſche
Wahrheit iſt. Die Seele iſt ein geſtimmtes
Inſtrument das nur geſpielt werden darf,
und wenn du die Kunſtwoͤrter von der Sache
abnimmſt, dieſe Ruͤſtung die einem kleinen
Koͤrper das Anſehen eines Rieſen giebt, findſt
du nichts unerwartetes: wenn du die Treſ-
ſen vom Kleide abſonderſt, iſt’s dem gemein-
ſten Mann als haͤtt’ er ſein eigen Kleid an.
Quantum eſt in rebus inane! Die Gelehrten
bemuͤhen ſich weislich dieſes ihr Kunſtſtuͤck
nicht zu verrathen, weil ſie damit auf die
Maͤrkte ziehen und große bunte Zettel drucken
laſſen um ſich vor Geld zu zeigen.

Iſts denn Wunder wenn der Gelehrte
dem Ungelehrten in der andern Welt nichts
nachgeben wird! O ihr Thoren die ihr glau-
ben kontet ein Gelehrter wuͤrde dort ſchon
eine hoͤhere Claſſe der himmliſchen Gluͤckſee-
lichkeit betreten als ein Bauer. Der letzte

wird
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="142"/>
der Welt fu&#x0364;r eine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft die nicht &#x017F;chon<lb/>
in un&#x017F;rer Seele la&#x0364;ge? Nur Licht herein ge-<lb/>
bracht und alles i&#x017F;t aufgedeckt &#x2014; der ge-<lb/>
mein&#x017F;te Men&#x017F;ch begreift alles, noch mehr,<lb/>
er weiß alles was du ihm &#x017F;age&#x017F;t. Gieb ihm<lb/>
den er&#x017F;ten Buch&#x017F;taben er giebt dir den zwei-<lb/>
ten. Wir <hi rendition="#fr">lernen</hi> nichts was eigentliche Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chafft, bleibende Kenntnis himmli&#x017F;che<lb/>
Wahrheit i&#x017F;t. Die Seele i&#x017F;t ein ge&#x017F;timmtes<lb/>
In&#x017F;trument das nur ge&#x017F;pielt werden darf,<lb/>
und wenn du die Kun&#x017F;two&#x0364;rter von der Sache<lb/>
abnimm&#x017F;t, die&#x017F;e Ru&#x0364;&#x017F;tung die einem kleinen<lb/>
Ko&#x0364;rper das An&#x017F;ehen eines Rie&#x017F;en giebt, find&#x017F;t<lb/>
du nichts unerwartetes: wenn du die Tre&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en vom Kleide ab&#x017F;onder&#x017F;t, i&#x017F;t&#x2019;s dem gemein-<lb/>
&#x017F;ten Mann als ha&#x0364;tt&#x2019; er &#x017F;ein eigen Kleid an.<lb/><hi rendition="#aq">Quantum e&#x017F;t in rebus inane!</hi> Die Gelehrten<lb/>
bemu&#x0364;hen &#x017F;ich weislich die&#x017F;es ihr Kun&#x017F;t&#x017F;tu&#x0364;ck<lb/>
nicht zu verrathen, weil &#x017F;ie damit auf die<lb/>
Ma&#x0364;rkte ziehen und große bunte Zettel drucken<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en um &#x017F;ich vor Geld zu zeigen.</p><lb/>
        <p>I&#x017F;ts denn Wunder wenn der Gelehrte<lb/>
dem Ungelehrten in der andern Welt nichts<lb/>
nachgeben wird! O ihr Thoren die ihr glau-<lb/>
ben kontet ein Gelehrter wu&#x0364;rde dort &#x017F;chon<lb/>
eine ho&#x0364;here Cla&#x017F;&#x017F;e der himmli&#x017F;chen Glu&#x0364;ck&#x017F;ee-<lb/>
lichkeit betreten als ein Bauer. Der letzte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wird</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0150] der Welt fuͤr eine Wiſſenſchaft die nicht ſchon in unſrer Seele laͤge? Nur Licht herein ge- bracht und alles iſt aufgedeckt — der ge- meinſte Menſch begreift alles, noch mehr, er weiß alles was du ihm ſageſt. Gieb ihm den erſten Buchſtaben er giebt dir den zwei- ten. Wir lernen nichts was eigentliche Wiſ- ſenſchafft, bleibende Kenntnis himmliſche Wahrheit iſt. Die Seele iſt ein geſtimmtes Inſtrument das nur geſpielt werden darf, und wenn du die Kunſtwoͤrter von der Sache abnimmſt, dieſe Ruͤſtung die einem kleinen Koͤrper das Anſehen eines Rieſen giebt, findſt du nichts unerwartetes: wenn du die Treſ- ſen vom Kleide abſonderſt, iſt’s dem gemein- ſten Mann als haͤtt’ er ſein eigen Kleid an. Quantum eſt in rebus inane! Die Gelehrten bemuͤhen ſich weislich dieſes ihr Kunſtſtuͤck nicht zu verrathen, weil ſie damit auf die Maͤrkte ziehen und große bunte Zettel drucken laſſen um ſich vor Geld zu zeigen. Iſts denn Wunder wenn der Gelehrte dem Ungelehrten in der andern Welt nichts nachgeben wird! O ihr Thoren die ihr glau- ben kontet ein Gelehrter wuͤrde dort ſchon eine hoͤhere Claſſe der himmliſchen Gluͤckſee- lichkeit betreten als ein Bauer. Der letzte wird

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/150
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/150>, abgerufen am 21.11.2024.