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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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gern, daß meine Mutter hieraus meine
Gleichgültigkeit gegen Minchen, wie aus ein-
mal eins, eins heraus brachte. Liebe Mut-
ter! die Liebe hält keine Reden! --

Die fromme Alte wurde in aller Stille beer-
diget, und ihr Grabmal war das heilige Cabinet,
wo Minchen und ich in Liebesangelegenheiten
zusammen kamen. Ein Engel mehr, sagten
wir, der uns höret, ein uns so verwanter
Engel --

Um meine Leser wegen der Rede schadlos
zu halten, bin ich bereit, einem jeden der hören
will, eine von andrer Art vorzufechten. Liebe
und Tod grentzen überall zusammen: Im Ro-
man und in der Geschichte.

Ich bin der festen Meinung, daß jedes
was schreiben kann, wenns liebt, auch Liebes-
briefe schreibe, geschrieben habe, auch schreiben
werde. Die Liebe ist eine völlige Opferung,
eine Universalsocietät. Man giebt alles was
man hat, man thut alles was man kann.
Man sagt alles, was man weiß, Authen-
tica habita Cod. ne filius pro patre
nicht aus-
genommen. Ein Bauer kritzelt den Namen
seiner Grete in Sand. Die Harcke ist seine
beste Feder. Schrammt er ihn in Kürbis,
schmeckt ihm dieser am süßesten. Schnitzelt

er
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gern, daß meine Mutter hieraus meine
Gleichguͤltigkeit gegen Minchen, wie aus ein-
mal eins, eins heraus brachte. Liebe Mut-
ter! die Liebe haͤlt keine Reden! —

Die fromme Alte wurde in aller Stille beer-
diget, und ihr Grabmal war das heilige Cabinet,
wo Minchen und ich in Liebesangelegenheiten
zuſammen kamen. Ein Engel mehr, ſagten
wir, der uns hoͤret, ein uns ſo verwanter
Engel —

Um meine Leſer wegen der Rede ſchadlos
zu halten, bin ich bereit, einem jeden der hoͤren
will, eine von andrer Art vorzufechten. Liebe
und Tod grentzen uͤberall zuſammen: Im Ro-
man und in der Geſchichte.

Ich bin der feſten Meinung, daß jedes
was ſchreiben kann, wenns liebt, auch Liebes-
briefe ſchreibe, geſchrieben habe, auch ſchreiben
werde. Die Liebe iſt eine voͤllige Opferung,
eine Univerſalſocietaͤt. Man giebt alles was
man hat, man thut alles was man kann.
Man ſagt alles, was man weiß, Authen-
tica habita Cod. ne filius pro patre
nicht aus-
genommen. Ein Bauer kritzelt den Namen
ſeiner Grete in Sand. Die Harcke iſt ſeine
beſte Feder. Schrammt er ihn in Kuͤrbis,
ſchmeckt ihm dieſer am ſuͤßeſten. Schnitzelt

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[225/0237] gern, daß meine Mutter hieraus meine Gleichguͤltigkeit gegen Minchen, wie aus ein- mal eins, eins heraus brachte. Liebe Mut- ter! die Liebe haͤlt keine Reden! — Die fromme Alte wurde in aller Stille beer- diget, und ihr Grabmal war das heilige Cabinet, wo Minchen und ich in Liebesangelegenheiten zuſammen kamen. Ein Engel mehr, ſagten wir, der uns hoͤret, ein uns ſo verwanter Engel — Um meine Leſer wegen der Rede ſchadlos zu halten, bin ich bereit, einem jeden der hoͤren will, eine von andrer Art vorzufechten. Liebe und Tod grentzen uͤberall zuſammen: Im Ro- man und in der Geſchichte. Ich bin der feſten Meinung, daß jedes was ſchreiben kann, wenns liebt, auch Liebes- briefe ſchreibe, geſchrieben habe, auch ſchreiben werde. Die Liebe iſt eine voͤllige Opferung, eine Univerſalſocietaͤt. Man giebt alles was man hat, man thut alles was man kann. Man ſagt alles, was man weiß, Authen- tica habita Cod. ne filius pro patre nicht aus- genommen. Ein Bauer kritzelt den Namen ſeiner Grete in Sand. Die Harcke iſt ſeine beſte Feder. Schrammt er ihn in Kuͤrbis, ſchmeckt ihm dieſer am ſuͤßeſten. Schnitzelt er P 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/237>, abgerufen am 21.11.2024.