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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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gefeyert. Im Buch der Lebenden, das vor
dem Thron Gottes liegt, sind wir gewis von
Anbeginn in einer Reihe zusammen geschrie-
ben. Ich zittre und freu mich. Es schau-
dert mich und ich bin entzückt, da ich an das
zurück dencke, was gestern neu gebohren ward.
Der erste Kuß und mit ihm der Schwur,
"Ewig mein" ich hab meinen Schutzengel
sehr gebeten, es dir einzuflößen, was ich gestern
empfunden habe, es ist unausschreiblich!
denckst du auch noch zurück? Unsre Augen
waren die ersten Bekandten, sie waren im-
mer zusammen, wenn sie sich reichen konnten.
Ehe man sich liebt, ist das Auge, wie du sagst,
als eine Sonne mit Wolcken belagert. Die
Liebe steckt das Auge an, zuvor ist es eine un-
angezündete Kerze! Kaum brennts, so ist auch
der ganze Mensch helle -- Alles stuffenweise
in der Liebe! Nach dem Blick eine Berüh-
rung. Ich denck noch offt dran, wenn sich un-
sere Finger berührten, da du mir was reich-
test, oder ich dir -- die Funcken sprützten mir
bis in die Seele, so offt wir so Feuer anschlu-
gen, und da ich dein Glas wie aus Versehen
nahm, und du das Meinige, und da ich mit
gutem Bedacht eben an der Seite tranck, wo
du getruncken hattest. Himmel was tranck

ich

gefeyert. Im Buch der Lebenden, das vor
dem Thron Gottes liegt, ſind wir gewis von
Anbeginn in einer Reihe zuſammen geſchrie-
ben. Ich zittre und freu mich. Es ſchau-
dert mich und ich bin entzuͤckt, da ich an das
zuruͤck dencke, was geſtern neu gebohren ward.
Der erſte Kuß und mit ihm der Schwur,
„Ewig mein„ ich hab meinen Schutzengel
ſehr gebeten, es dir einzufloͤßen, was ich geſtern
empfunden habe, es iſt unausſchreiblich!
denckſt du auch noch zuruͤck? Unſre Augen
waren die erſten Bekandten, ſie waren im-
mer zuſammen, wenn ſie ſich reichen konnten.
Ehe man ſich liebt, iſt das Auge, wie du ſagſt,
als eine Sonne mit Wolcken belagert. Die
Liebe ſteckt das Auge an, zuvor iſt es eine un-
angezuͤndete Kerze! Kaum brennts, ſo iſt auch
der ganze Menſch helle — Alles ſtuffenweiſe
in der Liebe! Nach dem Blick eine Beruͤh-
rung. Ich denck noch offt dran, wenn ſich un-
ſere Finger beruͤhrten, da du mir was reich-
teſt, oder ich dir — die Funcken ſpruͤtzten mir
bis in die Seele, ſo offt wir ſo Feuer anſchlu-
gen, und da ich dein Glas wie aus Verſehen
nahm, und du das Meinige, und da ich mit
gutem Bedacht eben an der Seite tranck, wo
du getruncken hatteſt. Himmel was tranck

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[240/0252] gefeyert. Im Buch der Lebenden, das vor dem Thron Gottes liegt, ſind wir gewis von Anbeginn in einer Reihe zuſammen geſchrie- ben. Ich zittre und freu mich. Es ſchau- dert mich und ich bin entzuͤckt, da ich an das zuruͤck dencke, was geſtern neu gebohren ward. Der erſte Kuß und mit ihm der Schwur, „Ewig mein„ ich hab meinen Schutzengel ſehr gebeten, es dir einzufloͤßen, was ich geſtern empfunden habe, es iſt unausſchreiblich! denckſt du auch noch zuruͤck? Unſre Augen waren die erſten Bekandten, ſie waren im- mer zuſammen, wenn ſie ſich reichen konnten. Ehe man ſich liebt, iſt das Auge, wie du ſagſt, als eine Sonne mit Wolcken belagert. Die Liebe ſteckt das Auge an, zuvor iſt es eine un- angezuͤndete Kerze! Kaum brennts, ſo iſt auch der ganze Menſch helle — Alles ſtuffenweiſe in der Liebe! Nach dem Blick eine Beruͤh- rung. Ich denck noch offt dran, wenn ſich un- ſere Finger beruͤhrten, da du mir was reich- teſt, oder ich dir — die Funcken ſpruͤtzten mir bis in die Seele, ſo offt wir ſo Feuer anſchlu- gen, und da ich dein Glas wie aus Verſehen nahm, und du das Meinige, und da ich mit gutem Bedacht eben an der Seite tranck, wo du getruncken hatteſt. Himmel was tranck ich

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/252>, abgerufen am 22.11.2024.