Jezt spannte dein Vater sich aus, rauchte sein Pfeifchen und that eine Mahlzeit, daß meine Mutter nachher zu mir (auch im Scher- ze, denn sie hungerte vor Freuden, wenns ihrem Gast' schmeckte) sagte: wäre der Can- didat unter den vier tausend Mann gewesen, so viel Körbe wären nicht übrig geblieben --
Dein Vater muß es selbst gemerkt haben; denn er bewies sehr gelehrt, daß man im Winter bessern Appetit, als im Sommer hätte, so wie eine übermäßige Kälte auch schläfrig mache. Das eine hatte er weidlich bewiesen, das andre war er im Begriff zu thun.
Mir strahlte dein Vater, ich muß es frey gestehen, gleich ins Herz, obgleich eine übermäßige Kälte, so wie eine übermäßige Hitze, schläfrig macht. Ich sah nicht mehr gerad aus, sondern sehr oft von der Rechten zur Linken, und war dein Vater, der uns oft besuchte, gegenwärtig; so konnte mich das mindeste roth machen. Ein gestohlnes Schaaf machte mich über und über roth, wenn man den Dieb nicht wußte und die Frage aufwarf: wer kann es wohl gestoh- len haben? Wenn mich dein Vater fragte: ob ich wohl geruhet hätte? war Feu'r im
Dach
R 3
Jezt ſpannte dein Vater ſich aus, rauchte ſein Pfeifchen und that eine Mahlzeit, daß meine Mutter nachher zu mir (auch im Scher- ze, denn ſie hungerte vor Freuden, wenns ihrem Gaſt’ ſchmeckte) ſagte: waͤre der Can- didat unter den vier tauſend Mann geweſen, ſo viel Koͤrbe waͤren nicht uͤbrig geblieben —
Dein Vater muß es ſelbſt gemerkt haben; denn er bewies ſehr gelehrt, daß man im Winter beſſern Appetit, als im Sommer haͤtte, ſo wie eine uͤbermaͤßige Kaͤlte auch ſchlaͤfrig mache. Das eine hatte er weidlich bewieſen, das andre war er im Begriff zu thun.
Mir ſtrahlte dein Vater, ich muß es frey geſtehen, gleich ins Herz, obgleich eine uͤbermaͤßige Kaͤlte, ſo wie eine uͤbermaͤßige Hitze, ſchlaͤfrig macht. Ich ſah nicht mehr gerad aus, ſondern ſehr oft von der Rechten zur Linken, und war dein Vater, der uns oft beſuchte, gegenwaͤrtig; ſo konnte mich das mindeſte roth machen. Ein geſtohlnes Schaaf machte mich uͤber und uͤber roth, wenn man den Dieb nicht wußte und die Frage aufwarf: wer kann es wohl geſtoh- len haben? Wenn mich dein Vater fragte: ob ich wohl geruhet haͤtte? war Feu’r im
Dach
R 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0271"n="259"/>
Jezt ſpannte dein Vater ſich aus, rauchte<lb/>ſein Pfeifchen und that eine Mahlzeit, daß<lb/>
meine Mutter nachher zu mir (auch im Scher-<lb/>
ze, denn ſie hungerte vor Freuden, wenns<lb/>
ihrem Gaſt’ſchmeckte) ſagte: waͤre der Can-<lb/>
didat unter den vier tauſend Mann geweſen,<lb/>ſo viel Koͤrbe waͤren nicht uͤbrig geblieben —</p><lb/><p>Dein Vater muß es ſelbſt gemerkt haben;<lb/>
denn er bewies ſehr gelehrt, daß man im<lb/>
Winter beſſern Appetit, als im Sommer haͤtte,<lb/>ſo wie eine uͤbermaͤßige Kaͤlte auch ſchlaͤfrig<lb/>
mache. Das eine hatte er weidlich bewieſen,<lb/>
das andre war er im Begriff zu thun.</p><lb/><p>Mir ſtrahlte dein Vater, ich muß es<lb/>
frey geſtehen, gleich ins Herz, obgleich eine<lb/>
uͤbermaͤßige Kaͤlte, ſo wie eine uͤbermaͤßige<lb/>
Hitze, ſchlaͤfrig macht. Ich ſah nicht mehr<lb/>
gerad aus, ſondern ſehr oft von der Rechten<lb/>
zur Linken, und war dein Vater, der uns<lb/>
oft beſuchte, gegenwaͤrtig; ſo konnte mich<lb/>
das mindeſte roth machen. Ein geſtohlnes<lb/>
Schaaf machte mich uͤber und uͤber roth,<lb/>
wenn man den Dieb nicht wußte und die<lb/>
Frage aufwarf: wer kann es wohl geſtoh-<lb/>
len haben? Wenn mich dein Vater fragte:<lb/>
ob ich wohl geruhet haͤtte? war Feu’r im<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Dach</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[259/0271]
Jezt ſpannte dein Vater ſich aus, rauchte
ſein Pfeifchen und that eine Mahlzeit, daß
meine Mutter nachher zu mir (auch im Scher-
ze, denn ſie hungerte vor Freuden, wenns
ihrem Gaſt’ ſchmeckte) ſagte: waͤre der Can-
didat unter den vier tauſend Mann geweſen,
ſo viel Koͤrbe waͤren nicht uͤbrig geblieben —
Dein Vater muß es ſelbſt gemerkt haben;
denn er bewies ſehr gelehrt, daß man im
Winter beſſern Appetit, als im Sommer haͤtte,
ſo wie eine uͤbermaͤßige Kaͤlte auch ſchlaͤfrig
mache. Das eine hatte er weidlich bewieſen,
das andre war er im Begriff zu thun.
Mir ſtrahlte dein Vater, ich muß es
frey geſtehen, gleich ins Herz, obgleich eine
uͤbermaͤßige Kaͤlte, ſo wie eine uͤbermaͤßige
Hitze, ſchlaͤfrig macht. Ich ſah nicht mehr
gerad aus, ſondern ſehr oft von der Rechten
zur Linken, und war dein Vater, der uns
oft beſuchte, gegenwaͤrtig; ſo konnte mich
das mindeſte roth machen. Ein geſtohlnes
Schaaf machte mich uͤber und uͤber roth,
wenn man den Dieb nicht wußte und die
Frage aufwarf: wer kann es wohl geſtoh-
len haben? Wenn mich dein Vater fragte:
ob ich wohl geruhet haͤtte? war Feu’r im
Dach
R 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/271>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.