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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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wurde. Eine gewiße Frau v -- warf den
ersten Stein, und nahm Gelegenheit, in öf-
fentlichen Gesellschaften zu behaupten, er sey,
wie sie sich ausdruckte, vom Ranapee und
nicht aus dem Ehebette. Sie schadete sich
indeßen mit diesem Steinwurf. Sie warf
ihn so unglücklich, daß er auf Ihro Gnaden
zurückfiel.

Denn es kam bey dieser Stammgelegen-
heit aus, daß Ihr Herr Vater seeliger nicht
wirklich Vater gewesen, sondern einer seiner
Leute, den Hofmeister, Jäger, die Bedien-
ten, Vorreuter ausgenommen, Vaterstelle
vertreten -- und so gings bey dieser Gele-
genheit sehr vielen, an deren ehelichen Ab-
kunft vorher Niemand gezweifelt hatte, in
deren Auge, Nase, Mund und andern Gesichts-
stellen man aber jetzo einen andern Vater
lesen wolte.

Ein Ausdruck des Pastor L, -- war
meinem Vater am gefährlichsten geworden.
Nach der Weise Melchisedech. Meine
Mutter sagt ihn mir ins Ohr. Mein Kind,
setzte sie hinzu, dieser Name hat mir tausend
und abermal tausend Thränen gekostet, und
unter uns gesagt: Wär es kein Vorbild, ich
hätte gewünscht, es wär' an Melchisedech

nicht

wurde. Eine gewiße Frau v — warf den
erſten Stein, und nahm Gelegenheit, in oͤf-
fentlichen Geſellſchaften zu behaupten, er ſey,
wie ſie ſich ausdruckte, vom Ranapee und
nicht aus dem Ehebette. Sie ſchadete ſich
indeßen mit dieſem Steinwurf. Sie warf
ihn ſo ungluͤcklich, daß er auf Ihro Gnaden
zuruͤckfiel.

Denn es kam bey dieſer Stammgelegen-
heit aus, daß Ihr Herr Vater ſeeliger nicht
wirklich Vater geweſen, ſondern einer ſeiner
Leute, den Hofmeiſter, Jaͤger, die Bedien-
ten, Vorreuter ausgenommen, Vaterſtelle
vertreten — und ſo gings bey dieſer Gele-
genheit ſehr vielen, an deren ehelichen Ab-
kunft vorher Niemand gezweifelt hatte, in
deren Auge, Naſe, Mund und andern Geſichts-
ſtellen man aber jetzo einen andern Vater
leſen wolte.

Ein Ausdruck des Paſtor L, — war
meinem Vater am gefaͤhrlichſten geworden.
Nach der Weiſe Melchiſedech. Meine
Mutter ſagt ihn mir ins Ohr. Mein Kind,
ſetzte ſie hinzu, dieſer Name hat mir tauſend
und abermal tauſend Thraͤnen gekoſtet, und
unter uns geſagt: Waͤr es kein Vorbild, ich
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[281/0293] wurde. Eine gewiße Frau v — warf den erſten Stein, und nahm Gelegenheit, in oͤf- fentlichen Geſellſchaften zu behaupten, er ſey, wie ſie ſich ausdruckte, vom Ranapee und nicht aus dem Ehebette. Sie ſchadete ſich indeßen mit dieſem Steinwurf. Sie warf ihn ſo ungluͤcklich, daß er auf Ihro Gnaden zuruͤckfiel. Denn es kam bey dieſer Stammgelegen- heit aus, daß Ihr Herr Vater ſeeliger nicht wirklich Vater geweſen, ſondern einer ſeiner Leute, den Hofmeiſter, Jaͤger, die Bedien- ten, Vorreuter ausgenommen, Vaterſtelle vertreten — und ſo gings bey dieſer Gele- genheit ſehr vielen, an deren ehelichen Ab- kunft vorher Niemand gezweifelt hatte, in deren Auge, Naſe, Mund und andern Geſichts- ſtellen man aber jetzo einen andern Vater leſen wolte. Ein Ausdruck des Paſtor L, — war meinem Vater am gefaͤhrlichſten geworden. Nach der Weiſe Melchiſedech. Meine Mutter ſagt ihn mir ins Ohr. Mein Kind, ſetzte ſie hinzu, dieſer Name hat mir tauſend und abermal tauſend Thraͤnen gekoſtet, und unter uns geſagt: Waͤr es kein Vorbild, ich haͤtte gewuͤnſcht, es waͤr’ an Melchiſedech nicht

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/293>, abgerufen am 23.11.2024.