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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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die Seele. Mein Sohn, wenn auch ein
andrer über dies Schatzkästlein käme; er
wüßte von jedem Worte, wessen Geistes Kind es
sey, ob mein oder deines Vaters und deines
Grosvater. Bey vielen hab ich gesagt dein
Vater,
bey vielen hab ichs gedacht. Dein Gros-
vater und Vater haben gepflanzet, ich hab be-
goßen, Gott gebe das Gedeihen!

Plato und Pythagoras waren zwar blin-
de Heiden; indessen glaubten sie, daß der
Lauf der Sterne ein Concert spiele. Lobe
den, der sie in Melodie setzte. Alles was
Odem hat, lobe den Herrn! Dein Vater
sagt, wer dieses Spährenconcert nicht hört,
wenn er ein Loblied singt, ist ärger denn ein
Heide. Die Traurigkeit macht feig. Ein Lob-
gesang macht lustig. Durch den Gesang
redet der Leib der Seele zu: Sey gutes
Muths, kleine Närrin! Siehe die Lilien auf
dem Felde, sie säen nicht, sie spinnen nicht,
Gott nähret sie doch; sind sie denn mehr wie
du! Ich sing indem ich schreibe, und will,
daß du singest, indem du liest.

Was den Odem hohlet,
jauchze, preise, singe!
blick herauf und blicke nieder!
Er ist Gott,
Zebaoth!
Er

die Seele. Mein Sohn, wenn auch ein
andrer uͤber dies Schatzkaͤſtlein kaͤme; er
wuͤßte von jedem Worte, weſſen Geiſtes Kind es
ſey, ob mein oder deines Vaters und deines
Grosvater. Bey vielen hab ich geſagt dein
Vater,
bey vielen hab ichs gedacht. Dein Gros-
vater und Vater haben gepflanzet, ich hab be-
goßen, Gott gebe das Gedeihen!

Plato und Pythagoras waren zwar blin-
de Heiden; indeſſen glaubten ſie, daß der
Lauf der Sterne ein Concert ſpiele. Lobe
den, der ſie in Melodie ſetzte. Alles was
Odem hat, lobe den Herrn! Dein Vater
ſagt, wer dieſes Spaͤhrenconcert nicht hoͤrt,
wenn er ein Loblied ſingt, iſt aͤrger denn ein
Heide. Die Traurigkeit macht feig. Ein Lob-
geſang macht luſtig. Durch den Geſang
redet der Leib der Seele zu: Sey gutes
Muths, kleine Naͤrrin! Siehe die Lilien auf
dem Felde, ſie ſaͤen nicht, ſie ſpinnen nicht,
Gott naͤhret ſie doch; ſind ſie denn mehr wie
du! Ich ſing indem ich ſchreibe, und will,
daß du ſingeſt, indem du lieſt.

Was den Odem hohlet,
jauchze, preiſe, ſinge!
blick herauf und blicke nieder!
Er iſt Gott,
Zebaoth!
Er
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[306/0318] die Seele. Mein Sohn, wenn auch ein andrer uͤber dies Schatzkaͤſtlein kaͤme; er wuͤßte von jedem Worte, weſſen Geiſtes Kind es ſey, ob mein oder deines Vaters und deines Grosvater. Bey vielen hab ich geſagt dein Vater, bey vielen hab ichs gedacht. Dein Gros- vater und Vater haben gepflanzet, ich hab be- goßen, Gott gebe das Gedeihen! Plato und Pythagoras waren zwar blin- de Heiden; indeſſen glaubten ſie, daß der Lauf der Sterne ein Concert ſpiele. Lobe den, der ſie in Melodie ſetzte. Alles was Odem hat, lobe den Herrn! Dein Vater ſagt, wer dieſes Spaͤhrenconcert nicht hoͤrt, wenn er ein Loblied ſingt, iſt aͤrger denn ein Heide. Die Traurigkeit macht feig. Ein Lob- geſang macht luſtig. Durch den Geſang redet der Leib der Seele zu: Sey gutes Muths, kleine Naͤrrin! Siehe die Lilien auf dem Felde, ſie ſaͤen nicht, ſie ſpinnen nicht, Gott naͤhret ſie doch; ſind ſie denn mehr wie du! Ich ſing indem ich ſchreibe, und will, daß du ſingeſt, indem du lieſt. Was den Odem hohlet, jauchze, preiſe, ſinge! blick herauf und blicke nieder! Er iſt Gott, Zebaoth! Er

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/318>, abgerufen am 22.11.2024.